Was eine bröckelnde Fassade über die Wissenschaftspolitik aussagt

Im jüngsten internationalen Ranking liegt die Alma Mater Austria (650 Jahre) über 100 Plätze hinter Queensland, Australien (106 Jahre). Wenn das kein Weckruf ist.

Kann nicht einmal etwas Großes in Österreich ohne Fehler oder so ablaufen, dass es nicht gleich symptomatisch für anderes in diesem Land ist? Nein, von der Steuerreform ist hier nicht die Rede, weil diese ja „die größte“ ist, wie uns eingeredet werden soll. Die Rede ist vielmehr von der Wirtschaftsuniversität Wien.

Hier war mit dem Neubau am Rande des Wiener Praters ein Campus geschaffen worden, der von der baulichen Ästhetik, von der Baugeschichte und der ganzen Anmutung her beeindruckte. Ein Großprojekt in Wien ganz ohne Skandal, Korruption oder sonstige Ärgernisse? Man kam, sah und staunte. Geht ja doch!

Und nun das! Lampen fallen von der Decke, Bibliothek und Lernbereiche müssen gesperrt werden, die Fassade bröckelt. Das kann man als symptomatisch für die ganze derzeitige Hochschul- und Wissenschaftspolitik ansehen, wenn man so will. Und wir wollen.

Gerade in einem Jahr, in dem vier Universitäten ihre Jubiläen feiern und der Lobesworte nicht genug sein werden, ist ein Blick auf die Fassaden zweckdienlich. 650 Jahre Universität Wien, 250 Jahre Veterinärmedizinische Universität, 200 Jahre TU Wien, 20 Jahre Donau-Universität Krems: Wo bitte ist aus diesem Anlass die substanzielle Auseinandersetzung mit dem Stellenwert von Wissenschaft und Forschung in Österreich? Eine bessere Gelegenheit als diese Ansammlung von Feierstunden kommt nicht bald wieder.

Nicht einmal der Weckruf des jüngst veröffentlichen World University Ranking wurde gehört. Da befindet sich die jubilierende Universität Wien auf Platz 182. Das Abrutschen wäre ja noch irgendwie erträglich und könnte mit der großen internationalen Konkurrenz schöngeredet werden. Aber mehr als hundert Plätze hinter der University of Queensland, Australien, und sieben Plätze hinter der University of Auckland, Neuseeland, zu rangieren – wie demütigend ist das denn? Wenn Universitäten in Downunder die Sensationsgründung von 1365 mitten in Europa abdrängen, dann muss etwas gehörig schiefgelaufen sein. So viel kann man gar nicht verschlafen, da müssen andere Faktoren im Spiel sein. Zum Beispiel: Dass das Wissenschaftsressort in den vergangenen 40 Jahren mit ganz wenigen Ausnahmen keine Ressortchefs mit wirklichem Gestaltungswillen in der Wissenschaftspolitik hatte.

Das hat nun gegenwärtig zu jener Situation geführt, die der Vorsitzende des Forschungsrats, Hannes Androsch, jetzt beschreibt (siehe Seite 37). Hinter seiner Wehklage aber stehen versäumte Zukunftschancen und frustrierter wissenschaftlicher Nachwuchs.

Das ist zwar nicht alles allein Schuld der Politik, sondern auch der Funktionäre der Universitäten, alias Rektoren und ihres Gremiums, der Universitätenkonferenz. Es war immer schon unverständlich, warum es so vielen Rektoren, Professoren, akademischen Funktionsträgern gegenüber der Politik die Rede verschlagen hat, jetzt aber ist deren Lammfrommheit alias Willfährigkeit unerklärlich. Jeder für sich, keiner für alle?

Wann, wenn nicht jetzt, da es bei Forschung und Entwicklung um die wirtschaftliche Zukunft des Landes geht, sollten sie eigentlich mehr Aufmerksamkeit einfordern? Wenn die Politik den Weckruf des schlechten internationalen Stellenwerts der Universitäten schon nicht hört, müssten sich eben Uni-Verantwortliche Gehör verschaffen.

An dieser Stelle kommt immer das Geld ins Spiel. Ohne Studiengebühren ginge gar nichts. Aber diese für Wissenschaftspolitik zu halten ist auch ein gefährlicher Trugschluss. Es braucht eine Änderung der Einstellung zu Wissenschaft, Neugier und Risiko, nicht Abschottung. Mit oder ohne mehr Geld.

Übrigens wurde in der Vorwoche die Ausstellung „650 Jahre Universität Wien“ in der Nationalbibliothek nicht von Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner eröffnet, sondern von Kanzleramtsminister Josef Ostermayer. So viel zum Stellenwert der Wissenschafts- und Hochschulpolitik. Von wegen symptomatisch.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2015)

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