Drei Worte für jeden Konflikt: Einsicht, Vertrauen, Wille

Kritiker können auf jeder Seite des Nuklearabkommens mit dem Iran einen verdächtigen Satz finden. Allein, derzeit fühlt sich der Sieg der Diplomatie gut an.

Der ehemalige südafrikanische Präsident Fredrik Willem de Klerk hat in einem bemerkenswerten Interview mit der „Presse“ im Jänner dieses Jahres dargelegt, wie „die schlimmsten und verfahrensten Konflikte durch Verhandlungen gelöst werden“ könnten. Er hat dabei gewissermaßen eine Schablone vorgelegt, die in ihrer Einfachheit geradezu genial ist.

Am Anfang, so de Klerk sinngemäß, müsse die Einsicht der Konfliktparteien stehen, dass keine Seite je als Sieger aus der Auseinandersetzung hervorgehen werde. Dann müssten von allen Seiten Initiativen gesetzt werden, welche die Voraussetzung für ernsthafte Verhandlungen schaffen.

Mit anderen Worten, es müsse Vertrauen aufgebaut werden. Im Fall Südafrikas sei dies seine Rede zum Ende der Rassentrennung und die Entscheidung Nelson Mandelas, den bewaffneten Widerstand des African National Congress (ANC) zu beenden, gewesen.

Beides, die Einsicht und das Vertrauen, sind Signale dafür, dass der politische Wille zur Konfliktlösung vorhanden ist – und zwar nicht nur aufseiten der einzelnen Führungspersönlichkeiten, sondern des ganzen jeweiligen Führungszirkels, wie de Klerk meinte. Diese Herangehensweise kann als blauäugig abgetan werden, am Ende des Tages aber muss man de Klerk zustimmen.

Gerade in dieser Woche liefert das Nuklearabkommen, das die fünf Mitglieder des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland mit dem Iran abgeschlossen haben, den Beweis dafür. Die Einsicht, dass weder Sanktionen noch Sturheit ein Ende der Konfrontation bewirken werden, hat sich durchgesetzt, wie von beiden Seiten mehrfach betont wurde. Ohne ein gewisses Maß an Vertrauen wäre es auch nicht zustande gekommen, wenn auch US-Präsident Barack Obama noch so oft hervorhebt, dass die Vereinbarung nicht auf Vertrauen basiere, sondern auf Kontrolle.

Der wichtigste Punkt der Drei-Stationen-Road-Map zur Lösung nahezu jedes Konflikts ist der Wille einzelner Personen. In diesem Fall hätte es ohne die Entschlossenheit Obamas und die Flexibilität des iranischen Präsidenten Hassan Rohani keinen Durchbruch gegeben.

Noch ist völlig unsicher, ob der politische Wille auch in den Führungszirkeln wichtigster Akteure – sprich dem US-Kongress und dem Mullah-Regime im Iran – wirklich vorhanden ist. Daher ist Scheitern noch immer eine Option, demnächst oder während der ganzen Laufzeit des Abkommens von 15 Jahren. Dennoch ist es ein Sieg der klassischen Diplomatie in einer Welt, die zunehmend nur Terror und staatenübergreifende Gewaltanwendung kennt.

Und was, wenn man de Klerks Schablone über den „verfahrensten“ Konflikt im Nahen Osten, über den zwischen Israel und den Palästinensern, legen würde? Kein Teil davon passt. Es geht um Sieg oder Niederlage; die Einsicht auf beiden Seiten fehlt ebenso wie Initiativen, die Vertrauen schaffen könnten; es mangelt auch an politischem Willen in den Führungszirkeln. Aber warum soll nicht anderswo möglich sein, was nach mehr als einem Jahrzehnt in Gesprächen mit dem Iran doch erreicht wurde?

Es muss nur die personelle Konstellation und das politische Umfeld stimmen. Südafrika wurde 1994 doch auch von manchen vorhergesagt, es werde in einem Meer von Blut ertrinken. Das Gegenteil trat ein – sichergestellt von zwei Männern, die den Mut und den Willen hatten, den Konflikt zu beenden.

Professionelle Skeptiker werden an dieser Stelle all jene Fälle vorbringen, bei denen die Schablone gepasst hat, das Resultat jedoch im Endeffekt bei Weitem nicht jener Win-win-Situation entsprach, von der jetzt auch im Iran die Rede ist.

Dennoch ist es faszinierend, dass die immer gleichen Regeln für alles politische Handeln gelten – gleichgültig in welcher politischen Arena, gleichgültig bei welchem Konflikt. Wenn die Diplomatie wie zuletzt in Wien triumphieren kann, warum dann nicht auch im Ukraine-Konflikt? Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Im Moment fühlt sich das gut an.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Anneliese Rohrer
ist Journalistin in Wien. Reality Check: http://diepresse. com/blog/rohrer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2015)

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