Schlechte Taktik, falsche Themen: Warum Grün nicht wirkt

THEMENBILD: LANDTAGSWAHL IN OBEROeSTERREICH
THEMENBILD: LANDTAGSWAHL IN OBEROeSTERREICHAPA/HELMUT FOHRINGER
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Parteichefin Eva Glawischnig wirbt jetzt schon für das Mitregieren 2018. Wozu? Die Grünen in den Landesregierungen bleiben den Leistungsnachweis schuldig.

Für die Grünen ist das Ergebnis der Landtagswahl in Oberösterreich morgen, Sonntag, wichtiger als jenes in Wien in zwei Wochen. Verlieren sie nach zwölf Jahren des Mitregierens Landesrat und Koalition mit der ÖVP, ist ihr wichtigstes Wahlargument „Grün wirkt“ mit einem Schlag Makulatur, die Wiener Wahlkampflinie durchkreuzt und Obfrau Eva Glawischnig desavouiert.
Es mutet ja seit einiger Zeit seltsam an, dass Glawischnig jetzt schon immer wieder die Sehnsucht der Partei nach einer Regierungsbeteiligung 2018 im Bund anspricht und sogar Bedingungen (Bildungsressort) stellt. Etwas an der Realität in den Bundesländern vorbei argumentiert sie dabei immer, dass dort, wo Grüne mitregieren, immer alles besser werde.
Wenn die Grünen aber in Oberösterreich die Wähler nicht davon überzeugen können, wird wohl mit dem Argument etwas nicht stimmen, sonst müssten sie jetzt nicht zittern. Das dürfte Glawischnig und Rudi Anschober in Linz in letzter Zeit gedämmert sein, denn nun wird nur mehr vor Schwarz-Blau gewarnt. Eine Stimme für die Grünen also nicht mehr als Verlängerungsschein für gute Arbeit, sondern nur mehr als Stopptafel für Schwarz-Blau? Wohl eine etwas schwache (Aus-)Wirkung langer Regierungsarbeit. Eigentlich ein Armutszeugnis. Man wird es in Wien lesen.
Überrascht sollte davon niemand sein. Die Regierungsarbeit der Grünen hat weder in Wien noch in den anderen fünf Bundesländern zu substanziellen Verbesserungen in den wichtigen Politikbereichen Schuldenabbau, Bildung und Demokratie geführt. Mehr noch: Großteils blieb sie unter der Aufmerksamkeitsschwelle der Öffentlichkeit.
Der Reihe nach: In Vorarlberg gestalten sie seit einem Jahr mit. Jenseits der Landesgrenze ist das niemandem aufgefallen, diesseits auch nur wenigen. In Tirol wurden sie von der Liste Fritz vor einiger Zeit ob ihrer Wirkungslosigkeit bei der Kontrolle und ihrer fehlenden Handschrift insgesamt kritisiert. Sie haben sich mit dem lahmen Hinweis auf das Budget verteidigt. In Salzburg sind sie zuletzt mit der Forderung nach einer Deckelung der Bezüge für Universitätsrektoren an die Öffentlichkeit getreten – ein wahrhaft brennendes Thema, während die Landeshauptstadt mit tausenden Flüchtlingen vor den Toren Deutschlands kämpft. In Kärnten verlor der grüne Landesrat Rolf Holub, dem man ja noch einen Debakel-Bonus wegen des Hypo-Skandals zugestehen könnte, als Umweltlandesrat im Görtschitztal (Blaukalkverbrennung) seine Reputation. Wie war das doch mit der Kontrolle, den Ausreden, dem Abschieben von Verantwortung auf Beamte? Wo sind die ambitionierten Pläne geblieben, die Grüne in Opposition in Kärnten etc. gewälzt haben?
Das alles würde nicht so sehr auf- oder ins Gewicht fallen, würden Grüne nicht so penetrant nach Regierungsbeteiligung gieren und auf dem Hochstand ihrer vermeintlichen moralischen Überlegenheit die Arbeit in den Ländern als Leistungsbeweis heranziehen. Sie sind ihn schuldig geblieben.

Die Grünen als treibende Kraft in den Bundesländern wird sich nicht einmal mehr Glawischnig herbeireden können. Hinzu kommen noch zwei weitere schwere Fehler in den letzten Monaten: Eigentlich hätten die Grünen als Erste ab Mai die Dimension des Asylthemas erkennen müssen – vor allen anderen. Aus purer Angst vor der FPÖ haben sie es jedoch mit Verschweigen probiert, womit sie eine ihrer Kernkompetenzen und jede Unterscheidung zu SPÖ und ÖVP aufgegeben haben.
Als Herunterspielen ab August nicht mehr funktionierte, waren sie nicht flexibel genug, die Wahlkampflinien zu ändern. „Gen-Scheiß“, TTIP und Frauen am Steuer wirken in Linz angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation so abseitig wie „für alles öffi sein“ oder „nur das eine wollen“ in Wien.
Fehleinschätzung der Themen und der Beweislage in den Ländern wird den Grünen im Bund und Glawischnig noch zu schaffen machen. Zu Recht.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Anneliese Rohrer ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

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