Die Politik der versteckten Absicht auf die Spitze getrieben

Wie die Farce um den Rechnungshof erst jetzt wieder bewiesen hat: Nicht Sachfragen und Fakten sind wichtig, sondern Hintergedanken und geheime Motive.

In der Liebe zum geheimen Hintergedanken bei politischen Entscheidungen soll uns niemand übertreffen: Da ist Österreich einfach eine Klasse für sich. Fast nie geht es um die Sache an sich, die durch einen eindeutigen Beschluss geklärt werden muss, sondern meist um alle möglichen versteckten Absichten, Intrigen, parteipolitische Ziele etc.

Einen schlagenden Beweis für diese These lieferte am Donnerstag die Wahl der Präsidentin des Rechnungshofs, Margit Kraker (ÖVP) aus Graz. Eigentlich eine unverhoffte Bestätigung für folgende Argumentation: Die Sache wäre die Neubesetzung des RH-Spitzenjobs mit der am besten geeigneten Person gewesen. Die Sache wäre Kontrolle des und Verbesserungen im Gemeinwesen gewesen – und, wenn man so will – der Schutz der Steuerzahler vor der finanziellen Tollheit der Politik.

Doch das tat – im wahrsten Sinn des Wortes – nichts zur Sache. Es ging um Intrigen, Machtspiele, die Möglichkeit, Bundeskanzler Christian Kern auf das für die ÖVP erträgliche Maß zurechtzustutzen, um einen schwarz-blauen Flirt und was der Unsinnigkeiten mehr waren. So sieht das Ergebnis dann auch aus. Also nicht von der Kompetenz der Personen wurde die Sache entschieden, sondern von ganz anderen Motiven.

Es kann den raren Fall geben, bei dem sich diese Hintergedankenpolitik sogar als Segen für das Land herausstellt. Mehr durch Zufall allerdings, als durch Absicht. Dazu gehört vor allem die Volksabstimmung über das Kernkraftwerk Zwentendorf im November 1978. Heute sind die Österreicher zufrieden, dass sie kein Atomkraftwerk im Land haben. Um die Gefahren wenige Kilometer von der Grenze zu Tschechien und Ungarn kümmert sich die Mehrheit ohnehin nicht. Sie ist einfach stolz, damals schon so fortschrittlich gewesen zu sein, das Düstere der Kernkraft erkannt zu haben.

Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein als dies. Denn das Nein zu Zwentendorf betraf nicht Segen oder Gefahr von Atomkraftwerken, sondern die Lust der ÖVP, Bruno Kreisky aus dem Amt am Ballhausplatz treiben zu können und Kreiskys Kalkül für die Wahl 1979. Lupenreine Parteipolitik also. In Wahrheit war die Mehrheit der schwarzen Oppositionspartei und der ihr verbundenen Wirtschaft pro Atomkraft. Kreisky hatte mit Rücktritt gedroht, die ÖVP bekam ihre Nein-Mehrheit, Kreisky blieb.

Ein negatives, weil gesamtwirtschaftlich schädliches Beispiel ist der Kauf der Eurofighter der schwarz-blauen Regierung 2002. Es ging nicht um die kostengünstigste Sicherung des österreichischen Luftraums, sondern um die Absicht, mit dem teuren Gerät, das jetzt nicht einmal mehr vollständig einsatzfähig ist, eine Tür zur Nato aufzustoßen. Die Volksbefragung 2013 zur Wehrpflicht muss erst gar nicht erwähnt werden. Sie hatte auf geradezu atemberaubende Weise nichts mit Zustand und Zukunft des Bundesheeres zu tun.

Diese Politik des Verschleierns, des Durchwurstelns und der nicht-sachgerechten Entscheidungen geht nur in einem Land durch, in dem es Politiker wie Bürgergesellschaft im Relativieren, im Augenzwinkern, im Ungenauen und Unpräzisen zur Meisterschaft gebracht haben. Nur dort nimmt man alles nicht so tragisch, um auf Sachentscheidungen zu bestehen. Nur dort drücken alle so oft die Augen zu, bis sie am Ende gar nicht mehr sehen, worum es eigentlich gehen sollte.

Das hat allerdings nicht nur Nachteile. Wenn man sich von Fakten nicht zu sehr belasten lässt, fällt oft das Improvisieren leichter. Auch darin hat es Österreich zu einer gewissen Fertigkeit gebracht, um die es mitunter beneidet wird.

Wer gewohnt ist, alles zu relativieren und nichts wirklich tragisch zu nehmen, lässt zwar der Politik vieles durchgehen, was anderswo nicht möglich wäre, hat aber auch einen entspannteren Umgang mit sich selbst. Aus der Nazi-Mitschuld haben wir uns herausgewunden, die Habsburg-Monarchie überwunden, was uns jegliche unzeitgemäße Nostalgie erspart. Man kann es also so formulieren: Als Schlaumeier sind wir Meister.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Anneliese Rohrer
ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2016)

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