Szenen einer „roten“ Karriere und einer fröhlichen Präsidentschaft

Reuters
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Heinz Fischers Abschied provoziert die Frage: Kann ein Spitzenpolitiker überhaupt einen Imagewechsel vollziehen? Fazit nach zwölf Jahren: Nur begrenzt!

Heinz Fischer ist einmalig. Er ist der erste Bundespräsident seit 1945, der sein Amt ohne Vorgänger angetreten und ohne Nachfolger verlassen hat. Das ist eine Laune der Geschichte, der FPÖ oder des Höchstgerichts, wenn man so will, weil die Wiederholung der Stichwahl einen ordnungsgemäßen Amtswechsel am Freitag beim Festakt im Parlament verhindert hat.

Fischer zitierte Rudolf Kirchschläger vom 8. Juli1986, als er sich für das „abschiedsbedingte Wohlwollen“ bedankte. Im Gegensatz zu Kirchschläger aber strahlte Fischer die ganzen zwölf Jahre seiner Amtszeit – auch das ein Alleinstellungsmerkmal – ungeheure Freude am Amt aus. Er war mit Sicherheit der fröhlichste Bundespräsident der Zweiten Republik – am Ende einer langen Karriere als SPÖ-Politiker.

Wie schafft man es, alle wechselnden Regime in einer Partei zu überleben und sich dennoch in den Spiegel schauen zu können? Diese Frage war aus gegebenen Anlass einmal einem hochrangigen ÖVP-Politiker mit, grob gesagt, ähnlichem Karriereverlauf zu stellen. Seine Antwort, noch wörtlich in Erinnerung: „Indem es immer nur um die Sache geht.“ Und „die Sache“ ist eben die Partei.

Um der Partei – oder besser gesagt lange Jahre um Bruno Kreiskys willen war Fischer sehr flexibel. Man muss die alten Geschichten vom Konflikt um Simon Wiesenthal, von der juristisch zurechtgebogenen Atomvolksabstimmung, vom Ministeramt, das so gar nicht zu ihm gepasst hat, nicht wiederholen. Auch jene zehn Jahre, in denen Fischer in wichtigen Positionen, aber ohne ein besonders ausgeprägtes Vertrauensverhältnis zu Franz Vranitzky der SPÖ gedient hat, sind lang her.

Erstaunlich war, dass er 2000 beim Wechsel von Rot-Schwarz zu Schwarz-Blau den Bruch von der Position des Ersten zu der des Zweiten Nationalratspräsidenten scheinbar problemlos verkraftete. Vier Jahre später war klar, warum: Das Präsidentenamt war im Visier. Und die Freude, die er in den nächsten zwölf Jahren daran hatte, sollte ihm recht geben. Was aber lässt sich aus diesem Karriereverlauf und den vergangenen zwölf Jahren als Erkenntnis mitnehmen? Dass es einem Spitzenpolitiker auch nach Jahrzehnten in Funktionen sehr wohl noch gelingen kann, einen Imagewechsel vorzunehmen? Nur begrenzt. Fischer in der Hofburg war gewiss nicht mehr der lupenreine SPÖ-Politiker, als der er vorher galt.

Andrerseits hing ihm auch dort der Ruf des Übervorsichtigen, dem es oft an Mut zu klaren Worten und eindeutigen Entscheidungen mangelt, nach. Noch immer macht das Bonmot, er sei bei wichtigen Parteibeschlüssen immer gerade nicht anwesend gewesen, die Runde – gestreut, wenn die Erinnerung nicht trügt, von Vranitzky. Die Geschichte mit dem Gang zum Klo wurde er nie los.

Man kann es aber auch so sehen: Fischer ist sich selbst immer treu geblieben. Er wurde in der Hofburg nicht forscher. Ob er deshalb die eine oder andere Chance versäumt hat, wird unterschiedlich beantwortet werden – von den Adoranten von gestern und den Kritikern von vorgestern. Ein Versäumnis gestand er selbst erst vor Kurzem ein: Den Abzug der Blauhelme vom Golan 2013 nicht verhindert zu haben sei ein Fehler gewesen, den er bereue, sagte er.

Einen weiteren in seiner Abschiedsrede wird er sich nicht vorwerfen müssen: Die klarsten Worte fand er zur Flüchtlingsproblematik. Er zitierte die gängigen Abschreckungssätze und forderte die Bereitschaft zur Hilfe, zur Achtung der Menschenwürde der Flüchtlinge, zu Vernunft und Humanität ein – unter kräftigem Applaus. Ob sich Außenminister Sebastian Kurz auf der Regierungsbank in den Zitaten wiedererkannt und die Aufforderung verstanden hat, ist nicht klar.

Fischer ist auch deshalb einmalig, weil er 40 Jahre ein und denselben Mitarbeiter hatte: Bruno Aigner, den Exrebell der SPÖ. Dieser ist nun „entfesselt“, kann seine Gedanken zum Zustand der SPÖ jetzt veröffentlichen – selbst wenn sich Fischer weiter verschweigen sollte.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Anneliese Rohrer
ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2016)

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