Quergeschrieben

Dieser verdammte August! Wieder ein Monat der Aggression

Die USA drohen, Nordkorea höhnt, ein US-Pastor spricht von „Gottes Wille“, Medien beschreiben Atomkrieg. Die Sonne steht im Zeichen des Löwen – astrologisch.

„Was ist das bloß mit dem August?“, soll US-Präsident George Bush, der Ältere, 1991 nach dem Putsch gegen Michael Gorbatschow in der Sowjetunion gefragt haben. Ja, was ist es bloß? Warum vergleicht der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel die Situation im August 2017 mit jener im August 1914? Nur weil Europa damals „schlafwandlerisch in einen Krieg marschiert“ ist? Oder weiß er über den Konflikt USA-Nordkorea mehr als öffentlich bekannt ist?

Der US-Journalist und Koreaspezialist Tim Shorrock warf diese Woche im TV-Sender Democracy Now dem politischen, militärischen und medialen Komplex der USA ungeheure Kriegslust vor. In dessen Echokammer töne es nur mehr „Krieg, Krieg, Krieg“. Es habe nicht einmal den Versuch einer diplomatischen Lösung gegeben.

Ja, was ist es bloß mit dem August? 2017 wetteifern die Medien, die sozialen und traditionellen, mit Schlagzeilen wie: „Wie wahrscheinlich ist ein Atomkrieg zwischen den USA und Nordkorea?“ Nicht alle sind so zurückhaltend: „Wie ein Atomkrieg beginnen und wie er enden könnte.“ Aufklärung pur? „Sind wir alle dem Untergang geweiht?“, wollte die „New York Times“ diese Woche wissen. Und der britische „Guardian“: „Trump hat uns an den Rand des Abgrunds eines Atomkriegs gebracht. Weiß er, wann er aufhören muss?“ In Onlinemedien wird von einer „erschreckenden Achse der Idiotie“ zwischen Trump und Nordkoreas Kim Jong-un geschrieben.

Auslöser dieser Kriegsangst und, wenn es denn so zu sehen ist, Kriegslust war der jüngste Raketentest Nordkoreas und danach die Drohung von US-Präsident Donald Trump mit „Feuer, Wut und einer Macht, wie sie die Welt noch nie gesehen hat“ gegen Pjöngjang vorzugehen.

Manche sehen da lediglich ein verbales Säbelrasseln; andere Beobachter meinen, Staaten, die einander drohen, führen keinen Krieg; andere wiederum wollen beide Seiten nicht so ernst nehmen. Wirklich? Wann hat zuletzt in einem westlich demokratischen und christlichen Staat jemand davon gesprochen, dass ein Präsident „von Gott die Autorität erhalten hat“ ein Land zu „zerstören“? Trump hat sich diesen „Segen“ von seinem Berater in Sachen Religion, dem Evangelikalen Pastor Robert Jeffress, geholt. Was geht in einem Menschen vor, der 2017 so ein Kriegsgeheul anstimmt und sich auf Gottes Willen beruft?

Es gibt die Theorie, dass Trumps Kriegsrhetorik wieder nur von seinen innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken soll. Wenn aber Shorrocks US-interne Analyse der Verachtung für Diplomatie und der Kriegslust stimmt, dann kann eben diese Rhetorik, obwohl aus ganz anderen Motiven verwendet, rasch eine nicht mehr beherrschbare Dynamik erhalten. Auch von China nicht. Das übersteigt zwar die momentane Vorstellungskraft, aber vor 103 Jahren war das auch der Fall.

Rückblickend ist der August jener Monat mit den häufigsten historischen Wendungen: Erster Weltkrieg und Auflösung der Sowjetunion eben. Dann wäre da noch der Einmarsch des Irak in Kuwait, Auslöser des ersten Irakkriegs der USA 1990.

Hätte George W. Bush den zweiten Irakkrieg 2003 nicht begonnen, wenn der erste seines Vaters anders verlaufen wäre? Und weiter zurück: Am 24. August 1939 stand der Hitler-Stalin-Pakt am Beginn des Zweiten Weltkriegs; am 6. und 9. August 1945 warfen die USA Atombomben über Hiroshima und Nagasaki ab; am 13. August 1961 begann der Bau der Berliner Mauer, am 21. August 1968 marschierten Warschauer-Pakt-Truppen in Prag ein; am 9. August 1974 trat Richard Nixon zurück.

Was ist das bloß? Mit den Kriegstrommeln in Washington und Asien im Ohr hofft man, dass er schnell vorüber geht. Denn sonst stürzen wir in eine Krise „wie sie die Welt zuvor nie gesehen hat“. Angeblich macht der August die Menschen besonders aggressiv – astrologisch gesehen. Das können wir uns noch vorstellen, aber doch keinen Atomkrieg.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zur Autorin:

Anneliese Rohrer ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse.com/blog/rohrer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.