Die hohe Kunst der Bauernschläue

Erstaunlich, was ÖVP-Chef Josef Pröll zurzeit alles zugetraut wird.


Das muss Josef Pröll einmal erst einer nachmachen: Eine Medienoffensive mit Interviews in Serie und einer Stunde „Sommergespräche" im ORF - und absolut keine News, nichts Neues, eigentlich nichts. Leicht kann das nicht gewesen sein.


Das einzig Interessante, nämlich die Änderung der Begründung für Verfassungsbruch und Budgetverspätung, ist weiters nicht aufgefallen. Waren es im Frühsommer noch die Wirtschaftsprognosen, die es abzuwarten galt, so sind jetzt die Länder der Grund. Eine Semineuigkeit betraf auch nichts Proaktives, sondern nur ein Dementi: Die 13. Familienbeihilfe wird noch nicht abgeschafft.
Ob das alles von hoher Kunst der Bauernschläue zeugt, wird man sehen. Einiges deutet darauf hin, dass Pröll diese mit der hohen Kunst des Staatstragenden zu verbinden weiß. Wenn nämlich stimmt, was derzeit die Flüsterrunden in den sogenannten politischen Kreisen der Bundeshauptstadt macht, dann hat Pröll tatsächlich eine originelle Verbindung von schlau und staatstragend gefunden und lässt zudem ausgewiesene Machiavellisten wie Wolfgang Schüssel alt aussehen.
Pröll und die ÖVP hätten, so hört man, bei den kommenden Landtagswahlen in der Steiermark und Wien hauptsächlich das Wohl von Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann im Auge. Wie das gehen soll? Man will die Steiermark zurückerobern, erstens überhaupt und zweitens, damit Faymann den lästigen Franz Voves los ist. In der Bundeshauptstadt Wien hingegen will man gar nichts gewinnen, damit Bürgermeister Michael Häupl bei Laune und in der Folge Werner Faymann stabil gehalten werden kann.


Da muss was dran sein. Denn anders ist ja eigentlich die Selbstpreisgabe zur Lächerlichkeit mit dem Frischen-Wien-Plakat für Michael Häupl und damit das politische Eigentor mitten im Wahlkampf, das sich VP-Spitzenkandidatin Christine Marek geschossen hat, nicht zu erklären. Nicht zu vergessen, dass Mareks Wahlkampfleiter Philipp Maderthaner von der Bundespartei in die Wiener Partei geschickt wurde. Er hat Marek das Eigentor schon mit den Plakaten, auf denen sie bettelt, Häupl künftig unterstützen zu dürfen, ziemlich professionell aufgelegt. Varianten für Verschwörungstheorien werden ab sofort entgegengenommen!


Aber was soll das Bauernschlaue an einem Misserfolg der Wiener ÖVP sein? Ganz einfach: Die Ergebnisse der Landtagswahlen sollen Faymann parteiintern nicht in Gefahr bringen und ihn selbst in Sicherheit wiegen. Pröll und die ÖVP rechnen sich offenbar gute Chancen auf die Wiedereroberung des Bundeskanzleramtes 2012 aus, wenn nur ja Faymann der Konkurrent bleibt.
Eine derartige taktische Finte muss Pröll erst jemand nachmachen. Das Entscheidende dabei ist nicht, ob sie zum gewünschten Ziel führt, sondern dass sie Pröll überhaupt zugetraut wird.


Anneliese Rohrer ist Journalistin in Wien.


anneliese.rohrer@diepresse.com

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