Die Malaise beim politischen Personal in Österreich einmal anders gesehen

Beispiel „Tätschn-Debatte“: Endlosschleife immer gleicher Themen mit freundlicher Unterstützung der Medien. Wer aber „öffentliche Angelegenheiten“ solchen Politikern überlässt, ist selbst schuld.

Es muss für Politiker in Österreich so etwas wie eine Dummheitsgarantie für mediale Aufmerksamkeit geben: Ein blöder Spruch garantiert tagelange mediale Aufregung. Man muss zugeben, dass im blau-orangen Lager seit Jörg Haiders Zeiten davon am häufigsten Gebrauch gemacht wurde und wird.

Jüngstes Beispiel sind „die klanen Tätschn“, die der Kärntner Vize-Landeshauptmann für „sinnvoll und gut“ hält. Fehlte nur noch, dass im ORF oder sonst wo Experten zum Unterschied zwischen Tätschn, Watschen, Tachtel, Fotzn, Flaschen und Ohrfeigen befragt wurden oder die verschiedene Schreibweise von Tetschn und Tätschn zu erklären hatten.

Dabei ist die ganze Diskussion nichts als ein Echo aus längst vergangenen Zeiten. Schon 1984 und dann wieder 1989 verlief sie ganz gleich, weil Harald Ofner (FPÖ) als Justizminister bei einer „g'sunden Watschen“ keinen Schaden erkennen konnte. Sind wir seither nicht weitergekommen? Wir verdammen uns selbst zu den immer gleichen Themen.

Bei Scheuch hätten – wenn überhaupt – ein paar Zeilen genügt. Bei der Verteidigung Scheuchs durch Landeshauptmann Gerhard Dörfler muss man sich fragen, ob er nicht doch Schaden an den eigenen „g'sunden Watschn“ genommen hat. Der Rest ist Mitleid mit den Kärntnern für so ein politisches Personal.

Damit wäre man bei dem – neben dem Verhalten der Medien – eigentlich wichtigen Punkt angelangt: eben beim politischen Personal. Wegen dessen mangelnder Qualität erhebt sich seit Jahren ein Klagelied. Vor allem Wähler/Bürger belieben es immer lauter anzustimmen: „Bei diesen Politikern“ lautet ihre Standardfloskel.

Aber schlag nach beim zweiten US-Präsidenten John Adams (1797–1801) vor fast 300 Jahren. „Öffentliche Angelegenheiten“, so schrieb er, „müssen immer von irgendjemandem erledigt werden.“ Und weiter: „Es wird immer den einen oder anderen geben, der das macht. Wenn weise Männer es ablehnen, werden andere es übernehmen. Wenn ehrliche Männer sich verweigern, andere werden es nicht.“ Gut, heute muss man Weisheit und Ehrlichkeit geschlechtsneutral sehen. Das Zitat selbst aber behält gerade in Zeiten mangelnder politischer Klugheit und anhaltender Korruption seine zeitlose Gültigkeit.

Der allseits wichtige Österreich-Bezug liegt darin: All die Bürger, die sich so sehr über das schlechte Personal auf der politischen Bühne alterieren können – und da gehören auch Bankdirektoren und andere Leistungsträger dazu –, könnten ja selbst Aufgaben in „öffentlichen Angelegenheiten“ auf allen Ebenen übernehmen. Die meisten von ihnen würden das aber wohl als unsittliches Ansinnen zurückweisen.

Die Angelegenheiten müssen aber zu allen Zeiten von irgendjemandem erledigt werden. Für die Bürger/Wähler ist es leichter zu klagen, als sich den Kopf darüber zu zerbrechen, warum das Land auf die Scheuchs etc. (herunter-)gekommen ist. Gleiches gilt für uns Journalisten in dieser Medienlandschaft, in der wirklich jeder Unsinn Raum hat.

Vielleicht ist auch die Malaise beim politischen Personal der Grund, warum Frank Stronach nun doch nicht mit dem BZÖ auf ein Kampfmandat will. Ein anderes wird er aber nicht finden, solange viele Österreicher nur „die anderen“ an die öffentlichen Angelegenheiten heranlassen.


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Zur Autorin:

Anneliese Rohrer
ist Journalistin in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer.
Das Jahrestreffen der Mutbürger findet am Montag, 11. Juni, um 17 Uhr im Wiener Burgkino statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2012)

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