Und als Nächstes Zwangsanleihen und Reichsfluchtsteuer?

Je mehr die Schuldenkrise eskaliert, umso ungenierter wird der Rechtsstaat von den Eurorettern zur Disposition gestellt. Erstaunlicherweise, ohne dass sie sofort besachwaltert würden.

Die Nachricht wirkt ein bisschen, als hätte ein längst verblichener Redakteur sie 1922 verfasst und in eine Schublade gelegt, aus der sie 2012 irrtümlich an die Öffentlichkeit gelangte. Ihr Inhalt: Ökonomen des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW) schlagen vor, sogenannte „Reiche“ sollten zur Zeichnung einer staatlichen Zwangsanleihe verpflichtet werden, die erst zurückgezahlt würde, wenn sich die Lage der Staatsfinanzen deutlich gebessert habe. „Reich“ ist nach den Vorstellungen des DIW jeder, der mehr als 250.000 Euro besitzt, Eigentumswohnungen und ähnliche Oligarchenreichtümer eingeschlossen.

1922 hat es eine derartige Zwangsanleihe übrigens tatsächlich gegeben; und die Sache ging für die unfreiwilligen Anleihezeichner gar nicht gut aus. Dank Inflation und Hyperinflation verloren sie alles. Wer diese Anleihe zeichnete, war anschließend gezeichnet.

Wenn nun deutsche Ökonomen 2012 die abermalige Einführung derartiger Zwangsanleihen fordern, klingt das zwar nach Drogenmissbrauch in den Denkerstuben , ist aber durchaus politisch geerdet. Hohe Funktionäre sowohl der Sozialdemokratie als auch des Deutschen Gewerkschaftsbundes haben derartiges in den letzten Jahren immer wieder gefordert; erstaunlicherweise, ohne umgehend besachwaltert worden zu sein.

Es wäre deshalb erstaunlich, würde die Idee nicht binnen kürzester Zeit auch in Österreich ihre Liebhaber finden. Der oberösterreichische SPÖ-Chef Josef Ackerl, die „Her-mit-dem-Zaster“-Innenministerin Mikl-Leitner von der ÖVP oder H.C. Strache von der „Es-gilt-die-Unschuldsvermutung“-FPÖ sind naheliegende Anwärter für den Job des Generalimporteurs derartigen Unfugs.

Dass dergleichen heute wieder öffentlich erörtert werden kann, ist ein deutlicher Hinweis auf die unguten Zustände, auf die man sich für die nächsten Jahre besser schon heute gedanklich einstellt. Denn je weiter die Schuldenkrise eskalieren wird, umso weiter werden sich die vorgeschlagenen Lösungen von den Prinzipien des Rechtsstaates, der politischen Verlässlichkeit und des Grundrechtes auf Eigentum entfernen; natürlich immer unter Verweis auf die vermeintliche Alternativenlosigkeit. Vom Einbekenntnis der damaligen französischen Finanzministerin Christine Lagarde, „Wir haben jeden Paragrafen des Maastricht-Vertrages gebrochen“, zieht sich eine durchaus logische Linie zu von Zwangsanleihen und darüber hinaus.

In Frankreich kann man in diesen Tagen studieren, wohin ein derartiges Klima führt: Dort hat eine kleine Auswanderungswelle von Vermögensbesitzern in Richtung London und Genf begonnen, weil die neue Regierung unter Hollande den Spitzensteuersatz auf 75 Prozent anheben will. Mit dem absehbaren Ergebnis, dass Frankreich von diesen Exilanten in Hinkunft eben gar keine Steuern mehr kassieren wird können, was als Beitrag zur Konsolidierung der Staatsfinanzen eher nicht so geeignet erscheint. Zwangsanleihen, wie sie nun die Berliner Ökonomen vorschlagen, könnten ganz ähnliche Konsequenzen haben.

Aber die Verfechter derartiger finanzieller Zwangsmaßnahmen werden dann sicher eine Abgabe für aus der EU Auswandernde einführen wollen. Früher hieß das „Reichsfluchtsteuer“, wurde aber 1945 umständehalber abgeschafft. Vielleicht nur vorübergehend.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2012)

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