Scheitert der Euro, wenn Deutsche Deutsche, Griechen Griechen bleiben?

Warum es ein fataler Fehler aller Fans der „Europäischen Republik“ ist, an das Absterben der unterschiedlichen Mentalitäten der europäischen Völker zu glauben.

Dass Griechenland laut einer neuen Studie von „Transparency International“ etwa so korrupt ist wie Indien, der Senegal oder Kolumbien – also sehr korrupt – gehört jetzt nicht wirklich zu den ganz großen Überraschungen. Wenn etwa griechischen Medienberichten zufolge die Mutter des ehemaligen Ministerpräsidenten Papandreou schlanke 550 Millionen Euro in der Schweiz gebunkert hat, ist das nicht wirklich ein Indiz für die Sauberkeit der Athener Eliten.

Doch das wirklich Betrübliche daran ist nicht das Ausmaß der Korruption in Griechenland (über die sich allzu sehr zu echauffieren gerade dem diesbezüglich auch nicht grad untalentierten Österreich nicht zusteht), sondern ein ganz anderer Umstand: Dass sich an der besonders hohen Neigung Griechenlands zur Korruption auch nach 30 Jahren EU-Mitgliedschaft nichts verändert hat.

Damit gerät nämlich die (leider auch von mir in romantischer Fehlinterpretation der Fakten allzu lang vertretene) These, wonach in der EU die unterschiedlichen Mentalitäten, Lebenseinstellungen und Wertvorstellungen der Völker Europas langsam, aber doch gemeinsame würden („Konvergenz“), ziemlich ins Wanken.

Immer mehr deutet vielmehr darauf hin, dass gerade auch in der EU die Deutschen unvermindert Deutsche bleiben wollen, die Griechen Griechen, die Franzosen Franzosen; von den Briten ganz zu schweigen.

Dabei geht es nicht nur um Korruption, sondern um nahezu alle relevanten Grundüberzeugungen. Setzen die Franzosen auf die Segnungen staatlicher Planung, hängen die Deutschen der moderaten Wettbewerbswirtschaft an; Atomkraft gilt westlich des Rheins als Segen, östlich des Rheins als potenzielles Armaggedon.

Während die Tschechen gerade dabei sind, staatlich kontrollierte Mietzinse als Relikt des Kommunismus gänzlich abzuschaffen, stößt die Wiedereinführung diese Relikts in Österreich auf erhebliche Zustimmung.

Die Liste völlig unterschiedlicher Mentalitäten, Einstellungen und Überzeugungen ist nahezu unerschöpflich. Daran ändert auch der Zeitablauf nur wenig. Die Annahme, Europas Völker würden einander im Laufe der Zeit und unter dem Dach der EU immer ähnlicher werden, hat sich weitgehend als Illusion erwiesen.

Das wird – leider – ganz erhebliche praktische Konsequenzen haben. Denn langfristig funktionieren können der Euro und die von ihm erzwungene unfreiwillige Transferunion nur, wenn die unterschiedlichen Mentalitäten zumindest teilweise planiert werden.

Denn dass Deutsche oder Österreicher auf unabsehbare Zeit etwa Griechen alimentieren, die an ein gleichsam gottgegebenes Grundrecht für alle glauben, den eigenen Staat nach Kräften zu betrügen, ist eher nicht anzunehmen. Genauso wenig wie wahrscheinlich ist, dass Deutschland, etwa im Wege von Eurobonds, mit Vergnügen die Rechnung für das parteiübergreifende französische Bedürfnis übernimmt, einen schon jetzt grotesk überdimensionierten Staat noch weiter zu mästen. Das wird so nicht funktionieren.

Damit steht Europa vor einer wenig erquicklichen Alternative. Entweder wird auf mirakulöse Art und Weise plötzlich zustande kommen, was in den letzten Jahrzehnten nicht zustande kam – die Konvergenz der Kulturen innerhalb der EU. Oder die Transferunion und mit ihr der Euro werden am Ende doch nicht zu halten sein.


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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2012)

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