Warum nicht auch Spar und Billa der Profitgier entziehen?

Nach den Triumphen staatlicher Wirtschaftspolitik in Salzburg, Linz oder Niederösterreich wird es höchste Zeit, Neoliberalismus und Marktradikalismus den Garaus zu machen.

Nachdem der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler jüngst den grundvernünftigen Vorschlag gemacht hat, die „Deutsche Bahn“ zu privatisieren, musste er sich in der angeblich liberalen „Süddeutschen Zeitung“ zumindest indirekt mit einem aggressiven Unkraut vergleichen lassen. „Was Wasserpest und Co. für die Natur sind, das sind Neoliberalismus, Marktradikalismus und Thatcherismus für die Politik“, formulierte der offenbar nicht stark am liberalen Ruf seiner Zeitung interessierte SZ-Chefredakteur Heribert Prantl einen Kommentar wider Röslers Pläne. (Missliebige Politiker in einen Zusammenhang mit artfremden Schädlingen zu bringen ist im deutschen Zeitungswesen ja auch in früheren Zeiten ein beliebter Kunstgriff gewesen, der erst 1945 etwas aus der Mode kam.)

Es dürfte an der verbreiteten postweihnachtlichen Lethargie des hiesigen „juste milieu“ liegen, dass im Windschatten der deutschen Debatte nicht auch hierzulande endlich die endgültige Lösung der Liberalenfrage angegangen worden ist. Denn obwohl in Österreich ja sogar die ÖVP sofort in Angststarre verfällt, wenn irgendjemand das Wort „Privatisierung“ flüstert und Liberalismus im Allgemeinen eher für eine sexuelle Ferkelei gehalten wird, ist die politische „Wasserpest“, wie Kammerjäger Prantl sie nennt, auch bei uns noch nicht mit Stumpf und Stängel ausgerottet und droht weiter, den Volkskörper zu schwächen, um einmal in dessen Idiom zu bleiben.

Deshalb wird es höchste Zeit, dass die Liberalen schonungslos ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden, dort ihre gedankliche Wasserpestilenz einbekennen und anschließend Buße tun.

Die Liberalen müssen einsehen, dass nicht der freie Markt und der freie Bürger Wohlstand schaffen, sondern ausschließlich der Staat und seine Organe. Erdrückend ist mittlerweile die Beweislast für die Überlegenheit staatlicher Steuerung, allein in jüngster Zeit vom kühnen Bau des Wiener Terminals Skylink über die klugen Geldanlagen der Linzer bis zu den Salzburger Triumphen an den globalen Finanzmärkten, von den geschickten Kredittransaktionen der Stadt Wien bis zum virtuosen Umgang der ÖBB mit den komplexesten Finanzinstrumenten.

Es darf angesichts dieser unwiderlegbaren Fakten nicht länger gewartet werden: Jeder gestellte Liberale (Blockwarte, diese bitte namhaft machen) muss öffentlich einbekennen, dass der Staat es einfach besser kann.

Ganz besonders gilt das natürlich für den aktuellen deutschen Casus Belli, die Bahn: Ist nicht gerade in Österreich sichtbar geworden, dass durch den Markteintritt der neoliberalen Westbahn die Profitgier hunderte Tote gefordert hat, die Massen der ÖBB-Eisenbahner der Verelendung ausgesetzt worden sind und der Bahnbetrieb zusammengebrochen ist?

Gerade das Wahljahr 2013 bietet sich an, „Marktradikalismus und Thatcherismus“ endlich auch in anderen Bereichen auszurotten: die für die Versorgung mit Lebensmitteln vitalen Ketten Billa und Spar gehören deshalb entprivatisiert und ins Infrastrukturministerium eingegliedert (vielleicht als Konsum); H&M, Zara und die anderen Textilketten könnten unter dem Dach der ÖIAG dem Wettbewerb entzogen werden, damit die Bevölkerung nicht mehr frieren muss.

Liberale, die das noch immer nicht einsehen wollen, sind ohne Gefühlsduselei strenger Bestrafung zuzuführen – in besonders schwerwiegenden Fällen bis hin zu einem Abendessen mit Kammerjäger Prantl.


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Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2013)

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