Warum verbieten wir der Wirtschaft nicht einfach, weiter zu wachsen?

Die schlechte Idee, der Staat könne durch Befummeln der Wirtschaft deren Wachstum anregen, erlebt in den USA und in Europa eine absurde Renaissance. In Österreich glücklicherweise gerade als Farce.

Einen starken und einmischungsfreudigen Staat hat Barack Obama bei seiner jüngsten Rede zur Lage der Nation den Amerikanern versprochen – und das kann man getrost als Drohung auffassen: Denn in der Praxis heißt das erfahrungsgemäß früher oder später höhere Steuern, höhere Schulden – sie haben sich unter Obama verdoppelt –, höhere Staatsquoten und noch mehr staatliche Drangsalierung des produktiven Sektors, also der Privatwirtschaft.

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Kombination aus Gelddrucken und mehr Staat der US-Wirtschaft auf die Beine helfen wird, ist außerordentlich überschaubar, um es einmal optimistisch zu formulieren. Hingegen ist die Idee des Präsidenten eines gemeinsamen Marktes der EU und USA geradezu vorzüglich.

Umso betrüblicher, dass Obamas Vision vom starken Staat zwar ökonomisch kontraproduktiv, aber dafür unter den maßgeblichen Industrienationen ausgesprochen verbreitet ist. Frankreichs sozialistischer Präsident, Hollande, etwa versucht gerade, die Schließung von Industriestandorten durch allerlei gesetzliche Schikanen hintanzuhalten, und will den Wechselkurs des Euro durch staatliche Fummeleien manipulieren. (Dass Frankreichs angeschlagene Autoindustrie deshalb attraktivere Autos baut, ist freilich eher nicht zu erwarten.)

Selbst in Deutschland hat Kanzlerin Angela Merkel angesichts des nahenden Wahltags plötzlich die nicht eben sehr marktwirtschaftliche Forderung nach obrigkeitlich fixierten Mindestlöhnen entdeckt; daran, dass sie einmal für eine Flat Tax war, kann sie sich wohl nicht mehr erinnern. Und forderte heute ein CDU-Politiker wie Friedrich Merz 2008, Deutschland müsse „mehr Kapitalismus wagen“, landete der wohl nicht im Bundestag, sondern in der Klapsmühle. Dass die Linke im Berliner Parlament einen Grenzsteuersatz von 100 Prozent verlangt und mehr als 100 Politiker, Gewerkschafter und Ökonomen die Einführung der 30-Stunden-Woche – natürlich bei vollem Lohnausgleich – gefordert haben, passt blendend ins Bild.

Gleichsam in der Operettenfassung ist dieses Phänomen ja auch hierzulande zu beobachten: Wenn die Wiener SPÖ plakatiert, „das Wasser vor Privatisierung zu schützen“, knüpft sie an die gleiche Befindlichkeit an, nur halt nicht ökonomisch tragisch (weil folgenreich) wie in Frankreich, sondern als bloße Farce bar jeglicher Verankerung in der Realität – was diesfalls durchaus ein Vorteil ist.

Nun ist grundsätzlich weder erstaunlich noch illegitim, dass sozialdemokratische oder sich als links stehend verstehende Politiker angesichts der globalen Krise Alternativen zum stark eingehegten Kapitalismus der westlichen Wohlfühlstaaten suchen. Erstaunlich und eher mühsam ist allerdings, dass dabei bloß die erprobten und erwiesenermaßen nicht funktionierenden alten etatistischen Rezepte aus dem vorvergangenen Jahrhundert exhumiert werden.

„Der Linken“, diagnostizierte jüngst der liberale US-Politikwissenschaftler Francis Fukuyama in „Foreign Affairs“, „ist es nicht gelungen, für mehr zu stehen als für eine bloße Rückkehr zu einer hoffnungslos veralteten und vor allem unbezahlbaren Spielart der Sozialdemokratie.“ Solange sich daran nichts ändert – was nirgends in Sicht ist –, bleibt Obamas und seiner europäischen Geistesverwandten Bedürfnis nach einem starken Staat eine gefährliche Drohung.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2013)

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