Nein, Haselsteiner ist für Liberale leider kein attraktives Angebot

Mit der Forderung nach hohen Steuern und sehr hoher Inflation wird der Bau-Tycoon nicht übertrieben viele ernsthafte Liberale dazu bringen, seinen Neos ihre Stimme zu geben.

Für Wähler mit liberalen Neigungen ist Österreichs bisheriges Parteienspektrum ungefähr so attraktiv wie die Speisekarte eines argentinischen Steak-Restaurants für einen überzeugten Veganer. Man ist bescheiden geworden in diesem Milieu über die Jahrzehnte der großen liberalen Dürre, sehr bescheiden.

Sogar eine aufgeklärte Sozialdemokratin light wie Heide Schmidt galt im überschaubaren Kreis ernsthafter Liberaler Österreichs über einige Jahre als Lichtfigur, auch wenn sie gerade in wirtschaftspolitischen Fragen nicht eben den Eindruck erweckte, die gesammelten Werke Friedrich August v. Hayeks gehörten zu ihrer bevorzugten Lektüre an regnerischen Sonntagnachmittagen.

Es war wohl eine Folge dieser langen Zeit der Entbehrungen, dass die neue Partei Neos im liberalen Milieu mit einiger Sympathie aufgenommen worden ist. Da schien sich eine wählbare Option zu formieren; auch und gerade für jene eher bürgerlichen Liberalen, die mit der ideologisch unter Spindelegger endgültig in die sozialdemokratische Parteienfamilie übersiedelten ÖVP („Her mit dem Zaster“) nichts mehr am Hut haben.

Doch dann kam Haselsteiner. Kaum hatte der seine ersten Interviews als Neos-Liberaler (sic!) gegeben, musste jeden ernsthaften Liberalen in diesem Land sofort wieder das Veganer-im-Steakhaus-Gefühl beschleichen. Darüber, dass Haselsteiner, Österreichs Antwort auf George Soros (reiferer Milliardär mit salonlinken Ambitionen) einen Grenzsteuersatz von 95 Prozent für extrem hohe Einkommen fordert, kann man auch als Liberaler noch hinwegsehen: Die Handvoll Österreicher, die mehr als eine Million Euro verdienen, verlegen dann eben ihren Lebensmittelpunkt in ein Land, das ohne feuchte Enteignungsfantasien zurechtkommt; die können das nämlich problemlos.

Also: Steuerertrag null, das ganze eine Luftnummer für die einfacheren Gemüter. Wahlkampf unter den Bedingungen der Aufmerksamkeitsökonomie halt – Schwamm drüber.

Schwerer wiegt Haselsteiners Einlassung, „zehn bis zwölf Prozent Inflation wie in den 1980er-Jahren“ wären ein „probates Mittel“, um wieder Wirtschaftswachstum zu erzielen. Das hat mit Liberalismus ungefähr so viel zu tun wie der linke Rand der KPÖ mit Baroness Thatchers Gedankengut. Denn für den Liberalen ist das Recht auf Eigentum, vom Staat geschützt und garantiert, ein zentrales Element seiner Überzeugung, und zwar ohne Wenn und Aber.

Eine Inflationsrate von „zehn bis zwölf Prozent“ hingegen ist eine der effizientesten Methoden, um Eigentum und Vermögen zu zerstören. Wer sich in seinem Leben mit Arbeit ein mittleres Geldvermögen von ein paar hunderttausend Euro erspart hat, etwa zur Altersvorsorge, der wird durch eine derartige Inflationsrate binnen kürzester Zeit weitgehend enteignet. Was daran liberal sein soll, dürfte Hans Peter Haselsteiners düsteres kleines Geheimnis bleiben.

Genauso wie die Frage, was ihn antreibt, Politik frontal gegen die Interessen potenzieller Wähler zu machen. Denn liberale Parteien werden typischerweise von Selbstständigen, Freiberuflern, kleinen Unternehmern und anderen leistungsorientierten Schichten gewählt, die immer besonders böse von Inflation betroffen waren. Sorry, Neos: Ein auch nur irgendwie akzeptables Angebot für Liberale sieht anders aus.


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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2013)

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