Ein staatliches Monopol ist nichts für kleine Kinder

Österreichs Schulen brauchen keine Pseudo-Autonomie, sondern gewinnorientierte private Schulbetreiber - wie das in Schweden bestens funktioniert.

Auch wenn die Lehrergewerkschaft das anders sieht: Das größte Problem des österreichischen Schulwesens ist nicht, ob Lehrer etwas länger arbeiten sollen oder nicht, sondern das Faktum, dass dieses Schulwesen in nicht unerheblicher Zahl Absolventen produziert, die nicht hinreichend gut lesen und schreiben können. Das Problem ist auch nicht, ob Lehrer etwas mehr oder etwas weniger verdienen, sondern dass ein Teil der Schulabgänger nicht einmal intellektuell fit genug ist, eine Lehre zu beginnen.

Das Problem sind schließlich nicht irgendwelche Petitessen des Dienstrechtes, sondern eine partielle Fehlfunktion des Systems Schule insgesamt. Wie nicht anders zu erwarten, nimmt die Regierung zwar Dutzende Verhandlungsrunden mit der Lehrergewerkschaft auf sich, um eher nebensächliche dienstrechtliche Angelegenheiten der Lehrer zu bereden, gibt aber durch nichts zu erkennen, wie die erheblichen Fehlfunktionen des Systems Schule zeitnah repariert werden sollen. Aber auch das ist halt offenbar ein Aspekt von „neu regieren“.

Einen aufs Erste ganz vernünftig tönenden Vorschlag hat hingegen die neue Parlamentspartei Neos vorgelegt. Der zielt im Wesentlichen darauf ab, dass Lehrer in Hinkunft Angestellte ihrer jeweiligen Schule sein sollen und damit bei nicht ausreichender Leistung wohl auch gekündigt werden können – und zwar von Direktoren, die nicht nach politischen, sondern objektiven Leistungskriterien bestellt oder auch abberufen werden. „Schulautonomie“ nennen die Neuliberalen dieses Konzept.

Gegenüber dem derzeitigen Zustand völliger Versteinerung der Lehrkörper wäre das zweifellos ein gewisser Fortschritt. Momentan kann ein Direktor ja nicht einmal eine völlige Niete von Lehrer loswerden, sondern muss wehrlose Kinder von derartigen Fehlbesetzungen pädagogisch traktieren lassen. Ein ziemlich ernsthaftes Problem, das die Schulautonomie lösen könnte.

Rätselhaft bleibt freilich, warum eine sich liberal gebärdende Partei weiterhin am Dogma staatlichen Eigentums an Schulen festhält, anstatt eine weitgehende Privatisierung des Schulwesens anzustreben. Dass sie die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Automobilen und Büchern recht gut bewältigen, haben private Unternehmen ja mittlerweile einigermaßen hinlänglich bewiesen. Warum Private nicht auch das Produkt Schulbildung qualitätsvoller, effizienter und kundenfreundlicher bereitstellen können sollen als der Staat, erschließt sich nicht wirklich.

Zu meinen, eine Schule im staatlichen Eigentum könne wirklich autonom und wie ein Unternehmen agieren, heißt, die hiesige Lebenserfahrung mit staatlichen Betrieben ebenso zu ignorieren wie die politische Logik. Denn solange der Staat Eigentümer ist, werden die Parteien dort tun, was jeder Eigentümer tut: ihre Interessen durchsetzen – seien sie personeller Natur oder auch inhaltlicher. Deswegen kann ja auch der ORF nicht aus den Krallen der Parteien befreit werden, solange dort die Republik De-facto-Eigentümerin ist. Staatliche Eigentümerschaft und echte Autonomie sind einfach völlige Antagonisten. Das gilt für einen Stahlkonzern genauso wie für eine Schule.

Dass privat betriebene Schulen den lieben Kleinen aus Gewinnsucht weder die Schulmilch vorenthalten noch den Unterricht an indische Callcenter auslagern, zeigt seit vielen Jahren Schweden, gemeinhin ja nicht eben als neoliberale Elendszone bekannt. Dort betreiben private Konzerne – horribile dictu! – einen erheblichen Teil der Schulen, in relativ hartem Wettbewerb mit den Staatsschulen um Kinder und jene Schulschecks im Wert von etwa 10.000 Euro, die Eltern vom Staat bekommen und in einer Schule ihrer Wahl einlösen können.

„Nur die Tyrannei des Status quo lässt die Leute glauben, dass das Staatsmonopol der beste Weg ist, unsere Kinder zu bilden“, schrieb der Ökonomie-Nobelpreisträger Milton Friedman im Jahr 2004. Daran hat sich in Österreich bis heute nichts geändert.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2013)

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