Warum Prostituierte mehr Ansehen genießen als Politiker

Der Bundeskanzler verspricht, das 24-Milliarden-Budgetloch zu sanieren, ohne dass die Bürger das zu spüren bekommen. Danke, aber pflanzen können wir uns selber.

Das Ansehen der Politiker, so ergab eine jüngst vom Magazin „Trend“ publizierte Umfrage, ist momentan nicht nur schlechter als jenes der Journalisten (was schwer genug ist), sondern auch deutlich unter jenem von Prostituierten angesiedelt. Dies ist insofern nicht überraschend, als Prostituierte, im Gegensatz zur derzeit amtierenden politischen Klasse, im Regelfall ja auch halten, was sie ihren Kunden beim Anbahnungsgespräch – sozusagen dem Äquivalent zur Vorwahlzeit – zusagen.

Ein Freudenhaus, dessen Huren ihre Kunden so dreist über die zu erwartenden Dienstleistungen hinters Licht führen, wie das die Regierung vor der Wahl im Zusammenhang mit den Staatsfinanzen getan hat, ginge ziemlich schnell pleite. Kein Wunder also, dass die Sexarbeit gerade besser beleumundet ist als das politische Gewerbe. Das ist schlicht und einfach eine Frage der unterschiedlichen Verlässlichkeit dieser beiden Geschäftsmodelle.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang übrigens, welche Schlüsse die beiden Regierungsparteien aus dem dieser Umfrage zugrunde liegenden Ansehensverlust ziehen, den sie nach dem Auffliegen ihrer Budget-Mogeleien erleiden mussten. Während die ÖVP den Eindruck erweckt, die Situation der Staatsfinanzen wenigstens jetzt etwas realistischer darzustellen und keine neuen unhaltbaren Zusagen zu machen, geht die Sozialdemokratie einen ausgesprochen originellen Weg: Sie beherzigt ganz offensichtlich die alte volkstümliche Erkenntnis, wonach ein ruinierter Ruf den Vorteil einer völlig ungenierten Lebensweise mit sich bringt.

Nicht anders ist zu erklären, dass SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann erst dieser Tage allen Ernstes erklärte: „Es ist kein neues Sparpaket für das Nulldefizit 2016 notwendig, jedenfalls keines, das die Bürger spüren.“ Man muss nicht wirklich über ein hohes Maß an politischer Paranoia verfügen, um der Glaubwürdigkeit dieser Behauptung mit einer gewissen Skepsis gegenüberzutreten.

Doch selbst wenn der Regierung entgegen jeder Plausibilität gelänge, was der Herr Bundeskanzler nun verspricht, tauchen dadurch neue spannende Fragen auf. Denn nachdem sich die Regierung auf ein zu füllendes Budgetloch von 24 Milliarden Euro geeinigt hat, kann Faymanns Einlassung ja aus logischen Gründen nur bedeuten, dass ein derartiger Betrag von der Republik aufgebracht und/oder eingespart werden kann, ohne dass „die Bürger das spüren“ (Faymann).

Da stellt sich natürlich die kleine Frage: Wenn es tatsächlich möglich ist, die nicht ganz unbescheidene Summe von 24 Milliarden Euro gleichsam schmerzfrei aufzutreiben – warum ist das nicht schon längst geschehen? Immerhin ist Herr Faymann ja schon seit einer Reihe von Jahren Kanzler dieser schwer verschuldeten Republik – warum hat er in all diesen Jahren das süße Geheimnis für sich behalten, wie man den Staatshaushalt um einen derartigen Betrag erleichtert? Zu befürchten ist: Weil sich diese Behauptung letztlich als etwa so realistisch erweisen wird wie die Darstellung der Budgetlage durch die Regierung vor dem Wahltag.


Fast könnte man angesichts der rhetorischen Verlängerung der Vorwahlzeit meinen, die SPÖ bereite sich mental bereits auf Neuwahlen vor. So ergab der Fortbetrieb der großen politischen Illusionsmaschine durch den Parteivorsitzenden wenigstens einen gewissen Sinn. Genauso wie übrigens auch die ähnlich ambitionierte Ankündigung von Sozialminister Rudolf Hundstorfer, das staatliche Pensionssystem bedürfe keiner weiteren Einschnitte. Auch das gehört ja zur sozialdemokratischen politischen Folklore jeder Vorwahlzeit.

Österreich, so lässt sich der Stand der Dinge kompakt zusammenfassen, hat also kein Budgetloch, braucht zu dessen Sanierung aber 24 Milliarden, und die werden aufgetrieben, ohne dass das spürbar sein wird. Und, na klar, die Pensionen sind sicher. – Warum Prostituierte mehr Ansehen genießen als die politische Klasse dieses Landes, dürfte damit ganz nebenbei auch geklärt sein.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2013)

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