Warum die Republik dringend auf eine Schweiz-Diät gesetzt gehört

Würde Österreich sich mit ähnlichen Einnahmen zufriedengeben wie unser Nachbar, könnte jeder Bürger ein paar hundert Euro im Monat mehr haben.

Die Lebenshaltungskosten,“ beklagt die neue Regierung in ihrem Arbeitsprogramm 2013–2018 völlig zu Recht, „sind in Österreich in den vergangenen Jahren – gerade durch die internationalen Entwicklungen – merklich gestiegen. Es braucht Lösungen, um diese Entwicklungen abzumildern und das Leben für die Menschen wieder leistbarer zu machen.“

Ja, eh. Das ist freilich insofern nicht ganz unoriginell, als etwa die dramatische Erhöhung der städtischen Gebühren und damit verbunden natürlich auch der Lebenshaltungskosten in Wien nicht so wirklich als bedauerliche Konsequenz der düsteren Machenschaften ausländischer Mächte („internationale Entwicklung“) verstanden werden kann. Genauso wenig wie die nun von der Regierung geplante Erhöhung von zahllosen Steuern und Abgaben, die ja irgendwie auch nicht so recht als Beitrag zur Senkung der Lebenshaltungskosten durchgehen kann.

Bemerkenswerterweise erwähnen die Koalitionsparteien in ihrem Arbeitsprogramm zwar so zentrale Politikfelder wie die Einführung einer Verkehrsauskunft Österreich, die Bekämpfung von Sexismus in Werbung und Medien oder – besonders dringlich – verstärkter Einsatz auf europäischer Ebene, zur kritischen Hinterfragung von Lockangeboten (etwa im Handel, Anm.). Diskret verschwiegen wird hingegen eine der Hauptursachen dafür, dass zu vielen Menschen zu wenig Geld übrig bleibt, um einen halbwegs angemessen Lebensstandard finanzieren zu können: dass sich der Staat einen viel zu hohen Anteil vom erwirtschafteten Wohlstand krallt und den Bürgern viel zu wenig übrig lässt.

Wie völlig enthemmt und ungeniert der Staat mittlerweile zulangt, hat erst dieser Tage eine interessante Untersuchung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) bewiesen. Demnach nimmt sich der Staat in Österreich 43 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes, während es in der benachbarten Schweiz gerade einmal 37 Prozent (inklusive Sozialversicherung) sind und damit trotzdem ein durchaus üppiger Sozialstaat betrieben werden kann. Dabei geht es um ziemlich viel Geld, das dem Bürger in Österreich genommen, in der Schweiz hingegen gelassen wird.

Käme nämlich die österreichische Politik mit jenen 37 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, die den eidgenössischen Regierenden völlig genügen, um einen durchaus respektablen Staat zu unterhalten, so hätten Private und Unternehmen hierzulande mit einem Schlag um rund 15Milliarden Euro mehr zur Verfügung als derzeit – und zwar pro Jahr. Jeder Erwerbstätige hätte damit im statistischen Durchschnitt bemerkenswerte 3000 Euro jährlich mehr Einkommen.

Das ist, auch wenn man fairerweise berücksichtigt, dass die Eidgenossen verschiedene Leistungen, die bei uns der Staat trägt, selbst finanzieren müssen, noch immer ein eher dramatischer Unterschied. Wünschenswert wäre eine derartige Schweiz-Diät für die Republik einerseits aus ökonomischen Gründen – weil der Bürger in aller Regel sein Geld effizienter selbst ausgibt, als wenn er dies dem Staat überließe –, aber andererseits auch aus viel grundsätzlicheren Überlegungen.

Je größer nämlich der Anteil an der Wirtschaftsleistung ist, der dem Einzelnen bleibt, umso größer wird dessen Freiheit, über sein Leben autonom zu disponieren. Dass freilich im Arbeitsprogramm der Regierung nichts darüber steht, wenigstens ein Stück in Richtung schweizerische Verhältnisse gehen zu wollen, hat einen simplen Grund: dass die beiden miteinander regierenden mehr oder weniger sozialdemokratischen Parteien SPÖ und ÖVP nicht das geringste Interesse daran haben, sich mit 37 Prozent der österreichischen Wirtschaftsleistung bescheiden zu müssen.

Denn je schlanker und gesünder der Staat, umso geringer werden natürlich Macht und Einfluss der ihn regierenden Parteien und ihrer Klientel. Den Preis dafür zahlen letztlich all jene Steuerzahler, um deren gestiegene Lebenshaltungskosten sie sich so rührend sorgen.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2013)

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