Wie kriminell ist es, Millionen von Jobs geschaffen zu haben?

Die reichsten 85 Menschen der Welt besitzen so viel Vermögen wie die ärmsten dreieinhalb Milliarden. Ein Grund für fiebrige Enteignungsfantasien ist das nicht.

Es waren spektakuläre Zahlen, die „Oxfam“ (eine internationale Organisation zur Armutsbekämpfung) jüngst öffentlich machte: Die 85 reichsten Menschen der Welt, so eine Oxfam-Studie, besitzen genauso viel Vermögen wie die ärmeren 50 Prozent der gesamten Menschheit, also dreieinhalb Milliarden Menschen. Bumsti, das sitzt.

Auch auf viele, die nicht gerade „Das Kapital“ zu ihrer Lieblingslektüre zählen, wirken solche Relationen obszön. Der Gedanke, wie das so wäre, nähme man diesen 85 Menschen ihren unfassbaren Reichtum weg und verteilte es an die Habenichts-Hälfte der Weltbevölkerung, drängt sich wahrscheinlich instinktiv fast jedem auf, der mit solchen Zahlen konfrontiert wird.

Genau das ist auch der Sinn der Übung: Oxfam fordert eine progressive Vermögenssteuer, so wie auch etwa hierzulande der notorische attac-Enteignungsspezialist Christian Felber, der sich ja gar eine Vermögenssteuer von bis zu 100 Prozent für etwas größere Besitztümer wünscht. Unbeantwortet bleibt dabei regelmäßig die Frage, welche Verbrechen die Superreichen begangen haben, dass sie die Strafe der Enteignung verdient haben.

Denn das Delikt, dessen sie sich nahezu alle schuldig gemacht haben, erscheint (außer vielleicht in Österreich) nicht eben besonders strafwürdig: Die allermeisten der Superreichen haben aus kleinsten Verhältnissen heraus ein Unternehmen gegründet, groß gemacht und damit fantastisch viel Geld verdient.

Erben dagegen sind unter den Reichsten eine unbedeutende Minderheit, im Normalfall sind die übergroßen Vermögen eigenhändig erarbeitet. Das gilt für Bill Gates (Microsoft) genauso wie für Ingvar Kamprad (Ikea), Karl Albrecht (Aldi) oder den verstorbenen Apple-Gründer Steve Jobs. Auch die reichsten Österreicher haben ihre Vermögen selbst erarbeitet: der Billa-Gründer Karl Wlaschek, Didi Mateschitz („Red Bull“) oder Norman Graf („Novomatic“).

Nicht vorwerfen wird man den 85 Superreichen auch können, dass sie als Kollateral-Nutzen ihres Strebens nach Wohlstand viele Millionen Arbeitsplätze haben entstehen lassen (wie viele es genau sind, verschweigt die Oxfam-Studie aus naheliegenden Gründen leider). Aber allein Gates hat in seinem Unternehmen immerhin rund 100.000 Jobs geschaffen.

Die unausgesprochene, aber in solchen Untersuchungen stets subkutan mitschwingende Hoffnung, man könne die Welt zu einem besseren Platz machen, indem man die Superreichen einfach guillotiniert und ihren gewaltigen Reichtum unter den überlebenden Bewohnern des Planeten verteilt, ist ebenfalls stark übertrieben. Denn selbst eine völlige Enteignung der 100 Reichsten samt anschließender gleichmäßiger Verteilung brächte pro Nase gerade einmal 170 Euro – eine doch irgendwie unbefriedigende Form der Erbschleicherei.

Von letztlich überschaubarem Erkenntnisgewinn ist schließlich auch die so spektakulär anmutende Gegenüberstellung der 85 Superreichen zur armen Hälfte der Menschheit. Genauso gut könnte man nämlich jene etwa fünf Prozent der österreichischen Bevölkerung, die kein Vermögen oder sogar negatives Vermögen in Form von (Netto-)Schulden haben, zum Beispiel der vom ORF an den SPÖ-Politiker Eugen Freund ausbezahlten Abfertigung gegenüberstellen.

Völlig wahrheitsgemäß könnte man dann behaupten, allein Freunds Abfertigung sei größer gewesen als das gesamte Vermögen all jener 400.000 unbemittelten Österreicher. Ja, eh – aber was lernen wir eigentlich aus einem derartigen statistischen Taschenspielertrick?

Offen bleibt bei den „Die-Reichen-werden-immer-reicher“-Studien die wichtigste Frage: Welchem der Habenichtse dieser Welt wäre eigentlich geholfen, hätten Männer wie Gates, Kamprad oder Mateschitz ihre Konzerne nicht gegründet und wären deshalb auch nicht reich geworden? Klar wären die Vermögen dann gleichmäßiger verteilt. Aber kein Armer dieser Welt wäre deshalb um einen einzigen Cent wohlhabender geworden.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2014)

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