Rauchende Ruinen: Wie sich die Volkspartei gerade selbst abschafft

Nicht dass die ÖVP in den Umfragen nur noch bei 19 Prozent liegt, ist überraschend, sondern dass ihr noch immer 19 Prozent der Wähler ihre Stimme geben wollen.

Angesichts der rauchenden Ruinen, in die sich die ÖVP derzeit nach jedem Wahlkampf gegen die Neos verwandelt – wie zuletzt in Salzburg –, beeindruckt die untätige Nonchalance, mit der die Partei der immer realistischer erscheinenden Möglichkeit ihres Unterganges begegnet, doch einigermaßen. Entschlossen verteidigt da ein politisches Personal, das bewiesen hat, zum Siegen völlig unfähig zu sein, politische Positionen, die bewiesen haben, auf dem Markt der Ideen so begehrt zu sein wie vergammelte Fischstäbchen.

Wirklich energisch kämpft diese Partei nur noch gegen allfällige neue Ideen, neues Personal und alle anderen als bedrohlich empfundenen Veränderungen. Stilistisch erinnert die Führung der Volkspartei mittlerweile ein wenig an die alte Garde der DDR in den Monaten vor dem Mauerfall und ihre Gewissheit, das nichts und niemand „den Sozialismus in seinem Lauf“ werde aufhalten können. Man weiß, wie das ausging.

Wie ungerührt die ÖVP an ihrem Kurs schnurstracks gegen die Wand festhält, war dieser Tage anhand einer an sich überschaubar bedeutenden Episode gut zu besichtigen. Gleich zwei Minister der ÖVP, Reinhold Mitterlehner (Wirtschaft) und Johanna Mikl-Leitner (Inneres), traten da auf und forderten, die Republik müsse auch künftig zu 25 Prozent an der Telekom beteiligt bleiben, also eine wichtige Rolle in dem Unternehmen spielen.

Für eine gemäßigt sozialdemokratische Partei wie die ÖVP ist das an sich keine besonders überraschende Position. Zu erwarten gewesen wäre angesichts der mittlerweile klaren politischen Verortung der ÖVP innerhalb der sozialdemokratischen Parteienfamilie allerdings, dass sie konsequenterweise wenigstens auch eine 25-Prozent-Beteiligung des Staates an den beiden anderen Providern „T-Mobile“ und „3“ fordern würden.

Dass besonders Frau Mikl-Leitner, eine erprobte Kämpferin gegen den menschenverachtenden Neoliberalismus („Her mit dem Zaster“), solche Exzesse des Kapitalismus und der Profitgier, wie sie Telekommunikationskonzerne ohne Staatsbeteiligung zweifellos darstellen, weiter toleriert, erstaunte da geradezu. Erlahmt da etwa Frau Mikl-Leitners klassenkämpferischer Elan ein wenig?

Nun ist schon klar, dass die Forderung nach vollkommener Privatisierung der Telekom und anderer Staatsbeteiligungen wie Verbund oder OMV der ÖVP nicht gerade die absolute Mehrheit einbringen würde (weshalb ja etwa auch die Neos davor zurückschrecken). Dergleichen ist in Österreich nicht gerade populär. Für eine solche Privatisierungswelle spricht eigentlich nur ein einziger Grund: dass sie vernünftig, im Sinne der Unternehmen und der Steuerzahler wäre. Denn dass der Staat als sozusagen stiller Gesellschafter den Handel mit Mobiltelefonen betreibt, ist ungefähr so sinnhaft, als würde er eine Bäckereikette, Sonnenstudios oder Brauereien betreiben. Außer den zahlreichen freigestellten Betriebsräten dient diese Staatsbeteiligung genau niemandem.

Dass die ÖVP, die in früheren Jahrzehnten in wirtschaftlichen Dingen ja noch als einigermaßen kompetent galt, in dieser Frage wider besseres Wissen die falsche Position vertritt, ist symptomatisch für das Elend dieser Partei: Je mehr Wähler ihr davonlaufen – derzeit liegt sie laut Umfragen grad noch bei 19 Prozent –, um so verwaschener, austauschbarer und beliebiger wird ihr politisches Angebot.

Einigermaßen auffällig in wirtschaftspolitischen Causen ist die Volkspartei in letzter Zeit eigentlich nur geworden, als sie, ohne mit der Wimper zu zucken, bereit war, die legitimen Interessen von ein paar 100.000 Selbstständigen und Kleinunternehmern zu verraten, indem sie deren steuerlicher Mehrbelastung vorerst ungerührt zustimmte. Nicht wenige dürften sich dafür rächen, indem sie, wie ihr Ex-Obmann Erhard Busek bei den letzten Nationalratswahlen, Neos wählen – und die ÖVP dem Untergang ein Stück näher bringen. Was der Partei aber mittlerweile auch schon gleichgültig zu sein scheint.

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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2014)

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