Der neue Islamofaschismus ist viel bedrohlicher als ein paar alte Nazis

Jugendlichen Terrorsympathisanten wird leider nicht mit der Jugendwohlfahrt oder runden Tischen beizukommen sein, sondern eher mit dem Strafvollzug.

Wer hierzulande mit einer Hakenkreuz-Armbinde über den Wiener Kohlmarkt spaziert, im Internet seine Zweifel an der Existenz des Holocausts artikuliert oder in seiner Wohnung einen Fanshop für Nazi-Paraphernalien betreibt, der wird relativ flott Bekanntschaft mit der Exekutive machen und für ein paar Jährchen aus dem Verkehr gezogen werden. Wer hingegen am Wiener Graben bei einer „Anti-Israel“-Kundgebung die Fahne der Terrororganisation Hamas schwingt, auf Facebook für den Jihad gegen Ungläubige wirbt und in seiner zur Moschee erklärten Wohnung einen Handel mit Terror verherrlichenden T-Shirts betreibt, darf dies nicht nur völlig ungestört, sondern im Fall einer angemeldeten Demo sogar noch unter dem Schutz der Polizei tun.

Das ist insofern bemerkenswert, als der Nationalsozialismus in Österreich 69 Jahre nach dem Ableben Adolf Hitlers etwa so bedrohlich ist wie die noch verbliebenen Anhänger des Stalinismus. Vom zeitgenössischen Islamofaschismus hingegen geht eine höchst reale Bedrohung aus. Darüber, dass jemand von Nazis mit dem Tod bedroht worden ist, hat man hierzulande glücklicherweise schon lange nichts mehr gehört; Morddrohungen aus dem islamistischen Milieu sind heute hingegen in den Social Media gang und gäbe. Man muss also kein hauptberuflicher Kulturpessimist sein, um zu prophezeien: Eher früher als später wird es auch hierzulande nicht bei den Drohungen bleiben.

Unter den Augen einer politischen Klasse, die noch immer einen heroischen Kampf gegen die nationalsozialistische Bedrohung führt, hat sich – wie in ganz Europa – auch in Österreich ein islamofaschistisches Milieu gebildet, das teilweise durchaus gewaltbereit ist. Man müsse sich „auf die Möglichkeit von Anschlägen in Europa einstellen“, hat erst unlängst der Präsident des deutschen Bundesamtes für Verfassungsschutz erklärt.

Inzwischen hat die Politik erkannt, dass hier Gefahr im Verzug ist. Die Wiener Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger plant ab Herbst ein „Netzwerk gegen Extremismus“. „Alle Stellen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, sollen sich vernetzen – vom Stadtschulrat, dem Kinder- und Jugendanwalt, der Jugendwohlfahrt bis zu Jugendzentren“ –, ließ sie jüngst wissen.

Das wird junge Männer, die vom Jihad träumen, sicher unglaublich beeindrucken. Und sollte das Netzwerk der Frau Frauenberger wider Erwarten der islamofaschistischen Szene nicht endgültig den Garaus machen, könnte ja unter Umständen irgendein „Interreligiöser Runder Tisch“ einberufen werden, bei dem sich alle Teilnehmer folgen- und konsequenzenlos der gegenseitigen Wertschätzung versichern.

Dass die politische Klasse dem Phänomen der Globalisierung des Islamofaschismus und der damit verbundenen Anwerbung von IS-Kämpfern in Favoriten oder am Wiener Handelskai eher schmähstad gegenübersteht, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass dies natürlich auch Folge eines Politikversagens ist.


Viele Jahre lang hatte die sogenannte Integrationspolitik das sich seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 abzeichnende Bedrohungsbild konsequent ignoriert. Wer sich im öffentlichen Diskurs nicht an dieses unausgesprochene Agreement hielt, musste damit rechnen, als islamophober Rechtsextremist abgestempelt zu werden.

Deshalb ist auch nicht anzunehmen, dass die politische Klasse dieser Bedrohung zeitnah und mit angemessener Härte entgegentreten wird und islamistische Gewaltverherrlichung, den Aufbau jihadistischer Strukturen, die Werbung für terroristische Organisationen wie etwa Hamas oder Islamischer Staat (IS) genauso konsequent und ohne falsch verstandene Toleranz verfolgen wird wie nationalsozialistische Wiederbetätigung.

Praktizierenden jugendlichen Islamofaschisten wird nicht mit Netzwerken und runden Tischen, sondern nur mit ausgedehnteren Aufenthalten im Strafvollzug beizukommen sein.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.