Ein saudisches Dialogzentrum gleicht einer veganen Schlachtplatte

In Wien wird nicht nur mit den Saudis gekuschelt, auch Putin wird hofiert und der Iran verharmlost: Wenn's ums Geld geht, geht hier viel.

Jenes König-Abdullah-Dialog-Zentrum in Wien, welches dieser Tage dank der weitgehend intelligenzbefreiten Ausführungen seiner Generalsekretärin, Claudia Bandion-Ortner, über die Vorzüge der Ganzkörperverschleierung („praktisch“) und des saudischen Strafrechts („Köpfen eh nicht jeden Freitag“) nun zum Glück einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden ist, wird sich nun im Rahmen einer Konferenz eines hochaktuellen Themas annehmen: „Religionsführer gegen Gewalt im Namen der Religion“.

Näheres – wie etwa der Veranstaltungsort – ist leider noch nicht bekannt, denn eine derartige Veranstaltung berge ja schließlich auch ein erhebliches „Sicherheitsrisiko“, wie besagte Frau Bandion-Ortner ausführte. Man muss diese Befürchtungen verstehen, denn schließlich ziehen gerade in diesen Tagen Tausende von christlichen und jüdischen Fanatikern aus ganz Europa in den Nahen Osten, um dort unschuldige Muslime zu köpfen. Und bekanntlich haben christliche und jüdische Terroristen in den vergangenen Wochen ihre Glaubensbrüder in Europa ganz offen aufgefordert, Muslimen den Kopf abzuschlagen, wo immer sich gerade die Gelegenheit dazu ergibt.

Dass ausgerechnet ein saudiarabisches „Dialogzentrum“ angesichts dieser gravierenden Bedrohungslage durch „Gewalt im Namen der Religion“ ein erhebliches „Sicherheitsrisiko“ sieht, ist daher mehr als verständlich. Denn bekanntlich hat sich gerade Saudiarabien in der Vergangenheit ganz besonders um den friedlichen Dialog der Religionen verdient gemacht. Etwa, indem das wahabitische Königreich (zusammen mit den ebenfalls außerordentlich dialogbereiten Glaubensbrüdern aus Katar) den in jeder nur denkbaren Hinsicht um das friedliche Zusammenleben der unterschiedlichen Religionen bemühten Damen und Herren vom IS (was wörtlich übersetzt vermutlich „Interkulturelles Sozialprojekt“ bedeuten soll) in deren Start-up-Phase mit Millionen Dollar zur Seite stand. Was nur konsequent ist, denn schließlich finanziert Saudiarabien nicht nur Frau Bandion-Ortner, sondern saudisches Geld fließt seit Jahrzehnten schon an jene traditionell recht dialogorientierten Friedensorganisationen, die unter der Bezeichnung Taliban in Pakistan und Afghanistan von den dortigen katholischen und jüdischen Terrorgruppen bedrängt werden.

Im Milieu der interreligiösen runden Tische ist es ein offenes Geheimnis: Wo immer in der sunnitischen Welt Friedensaktivisten mithilfe von Sprengstoffgürteln zum Dialog einladen, standen Saudis gern als diskrete Financiers zur Verfügung. Deshalb ist es ja auch kein Zufall, dass das bisher wohl aufwendigste Dialogprojekt der jüngeren Geschichte, die Ereignisse vom 11. September 2001, überwiegend von jungen Herren aus Saudiarabien auf den Weg gebracht werden konnte. Schließlich sind die in ihrer Jugend ja hinreichend von ihrem sozialen Umfeld darüber aufgeklärt worden, wie der Dialog mit Andersgläubigen zu führen ist.

„Gewalt im Namen der Religion“ – auf diesem Gebiet haben die Saudis nun wirklich hohe Kompetenz. Es wäre deswegen auch ein grober Fehler, dieses „Dialogzentrum“ einfach dichtzumachen, wie das nun von manchen Politikern gefordert wird.

Ganz im Gegenteil: Wir schulden der Ex-Ministerin Dank dafür, dass sie mit ihren ehrlichen Worten die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit endlich darauf gelenkt hat, was man in der Welt des puristischen Islam, wie ihn der saudische Wahabitismus darstellt, unter „Dialog“ eigentlich versteht.

Gleichzeitig kann man dieses „Dialogzentrum“ durchaus auch als eine Art Leuchtturm-Projekt verstehen, das einen wichtigen Standortvorteil Österreichs bewirbt. Hier wird nicht nur mit den Saudis gekuschelt, hier wird auch Herr Putin mit Standing Ovations bedacht, werden asiatische Despoten von Ex-Kanzlern entgeltlich weißgewaschen und der islamofaschistische Iran mit jener Milde gesehen, die Hoffnung auf gute Geschäfte erwirkt. Irgendwie passen das „Dialogzentrum“, die Ex-Ministerin und das Land ganz gut zusammen.

debatte@diepresse.com

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Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2014)

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