Wann geht Österreich eigentlich pleite?

Wenn die EU Osteuropa im Stich lassen sollte, droht der Republik die Insolvenz.

Dass Bundeskanzler Faymann und Finanzminister Pröll sich mit aller Kraft bemühten, der EU schlappe 100 Mrd. Euro zugunsten der finanziell Not leidenden osteuropäischen Nachbarn zu entsteißen, ist ziemlich dringend notwendig, um es einmal zurückhaltend zu formulieren.

Und zwar aus einem ziemlich einfachen Grund. Ohne Hilfe von außen droht einer Reihe der Reformstaaten der ökonomische Kollaps. Ein derartiger Kollaps wiederum würde praktisch alle größeren österreichischen Banken bedrohen. Da aber die Republik Garantien für diese Banken übernommen hat, würden diese Haftungen dann wohl schlagend werden: Zahltag für Pröll oder dessen allfälligen Nachfolger.

Dann aber wäre Österreich mit hoher Wahrscheinlichkeit schlicht und ergreifend pleite. Denn diese Summen hat es nicht, und diese Summen kriegt es auch nicht.

Bei der Mission „Rettet Osteuropa“ geht es daher im Kern nicht (nur) um Osteuropa, sondern um Österreich: Man kann den nun notwendigen „Bailout“ der postkommunistischen Staaten durchaus als „Bailout“ der Republik Österreich verstehen. (Was sich übrigens auch darin widerspiegelt, dass die Wiener Regierung für neue Kredite bereits substanziell höhere Zinsen zahlen muss als Deutschland.) Österreich ist leider in einer Position, die jener Islands unangenehm nahe ist: So ähnlich wie die Insel im Nordatlantik wären wir im Ernstfall kaum imstande, unsere Banken selbst zu retten, sollte dies nötig sein. Dazu sind nämlich die Beträge, die hiesige Geldhäuser nach Osteuropa verliehen haben, zu groß: 85 Prozent eines Jahresbruttosozialproduktes, ein Vielfaches mehr als jedes andere EU-Land.

Früher, als das Bankgeschäft sich gemessen an der Seriosität noch einigermaßen vom Betrieb eines Bordells unterschieden hat, hätte man Derartiges ein „Klumpenrisiko“ genannt, das Banken keinesfalls eingehen dürfen. Ein paar notorische Spaßverderber wie etwa der Weltwährungsfonds weisen auch schon lange darauf hin, dass Österreich hier alles auf eine Karte gesetzt habe, was mit hohen Risken verbunden sei.

Heute, ausgerüstet mit der Weisheit des Im-Nachhinein, wissen wir: Es wäre nicht unklug gewesen, diese Kritik zumindest ansatzweise zu beherzigen. Man muss den Banken zugutehalten, dass sie aus dieser Hochrisikostrategie ja kein Geheimnis gemacht haben. Das Ganze hieß bloß nicht „Klumpenrisiko“, sondern „Story“ und wurde von fast allen Beteiligten – einschließlich der Medien – gerne geglaubt.

Was aber haben sich die Experten der OeNB, der Bankenaufsicht und des Finanzministeriums dabei gedacht, dieses „Klumpenrisiko“ zuzulassen, ohne auch nur eine Augenbraue zu heben? Wer trägt die Verantwortung dafür, dass nun de facto die EU Österreich aus der Klemme helfen muss?

Außenminister Figl wurde einst berühmt mit dem Satz: „Österreich ist frei.“ Scheitert die Rettung Osteuropas, droht 2010 der dann amtierende Regierungschef mit dem Satz „Österreich ist pleite“ in die Geschichte einzugehen.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2009)

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