Enteignet die Wohnungseigentümer und werft sie aus dem Land!

Warum man sich als Bewohner der Bundeshauptstadt nicht wundern sollte, wenn es schon demnächst im Morgengrauen an der Wohnungstür klingelt.

Wie zutreffend seine Diagnose ist, wonach „Vorwahlzeiten stets Zeiten fokussierter Unintelligenz“ seien, bewies dieser Tage der Wiener Bürgermeister, Michael Häupl, höchstpersönlich. Nachdem die SPÖ-Jugendorganisation gefordert hatte, leer stehende Wohnungen müssten von ihren Eigentümern künftig der Obrigkeit gemeldet und in der Folge neuen Steuern unterworfen werden, spendete Häupl den feuchten Enteignungsträumen seiner Jungen Beifall: „Ein guter Vorschlag. Angesichts der Situation, dass Wien wächst, halte ich das für eine vernünftige Maßnahme.“

Warum eine Stadt, die wächst, dadurch legitimiert sein soll, das Recht ihrer Bürger auf Eigentum teilweise zu beseitigen, erschließt sich zwar nicht wirklich. Aber vermutlich geht es Häupl mit seiner Forderung entgegen dem Anschein nicht um billigen Vorwahlpopulismus. Nein, er wird wohl eher die günstigen arbeitsmarktpolitischen Folgen eines derartigen faktischen Vermietungszwanges im stadtväterlichen Auge haben.

Denn um menschenverachtende Wohnungseigentümer daran zu hindern, ihre allenfalls gerade nicht vermieteten Wohnungen einfach vor der Obrigkeit zu verschweigen, wird wohl eine größere Anzahl staatlicher Kontrollorgane notwendig sein, die unangemeldet und vorzugsweise im Morgengrauen in Wohnungen eindringen dürfen, um allenfalls den Tatbestand des illegalen Leerstandes dingfest zu machen. Früher hat man sich zu diesem Zweck bekanntlich auf die etwas preiswerteren „Blockwarte“ verlassen können. Aber diese erprobte Methode ist nach 1945 ja zu Unrecht etwas aus der Mode gekommen.

Deswegen wird wohl notwendig sein, künftig so eine Art städtische Wohnungs-Stasi zu installieren, die vermietungsunwillige Kapitalistenschweine zur Strecke bringt. Wobei diese nach den Vorstellungen der SPÖ auch künftig ohne Strafe davonkommen sollen, wenn ein „berechtigter“ Leerstand vorliegt; also etwa der Wohnungseigentümer für ein paar Wochen verreist ist, sich zu einer Kur zu verfügt hat oder beweisen kann, dass sich trotz allergrößter Anstrengungen kein Mieter gefunden hat.

Um festzustellen, was nun im Einzelfall genau „berechtigter“ Leerstand ist, wird es wohl einer städtischen Kommission bedürfen, in der paritätisch ausgewogen die Vertreter der Sozialpartner, der Mietervereinigung, der Armutskonferenz, des Dachverbandes der Unbehausten, der Radfahragentur sowie die städtischen Gender-Beauftragten darüber rechten, welche Wohnung künftig unvermietet bleiben darf und welche nicht. Dass ein eigener „Leerstandsbeauftragter der Stadt Wien“ samt angemessener personeller Grundausstattung notwendig sein wird, um die Frage der Leerstandsberechtigung angemessen zu administrieren, versteht sich von selbst.

Mit einer derartigen Organisation wäre dann auch der Grundstein für weitere administrative Maßnahmen gelegt, die notwendig werden könnten, wenn Wohnungseigner trotz Häupl-Steuern und dichter Kontrollen nicht im gewünschten Ausmaß zur Kooperation mit der Rathausbürokratie bereit sind.

Was dann notwendig wird, kann man schon heute in rot-grün verwalteten Bezirken Berlins studieren: ein gegen die Eigentümer gerichtetes Verbot, kleinere Wohnungen zusammenzulegen, oder sie gar etwas aufwendiger zu sanieren, etwa durch Einbau eines zweiten Bades, eines offenen Kamins oder gar eines Balkons. „Soziales Erhaltungsrecht“ nennt sich diese Form der teilweisen Enteignung der rechtmäßigen Besitzer einer Wohnung in bestem Orwell-Sprech.

Leider fehlt es auch derartigen Brachialmaßnahmen an der notwendigen Konsequenz. Warum nicht einfach leer stehende Wohnungen von Amts wegen am Wohnungssuchende vergeben, ohne den Eigentümer lang zu fragen? Angesichts „der Situation, dass Wien wächst“ eine sicher früher oder später notwendige Maßnahme. Es geht ja schließlich um die Gerechtigkeit.

Zum Autor

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2014)

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