Was, bitte, geht die Europäische Union eigentlich mein Toaster an?

Die EU-Bürokraten können es einfach nicht sein lassen, sich in Dinge einzumischen, die sie ganz genau nichts angehen. Es geschieht vor allem zum eigenen Schaden.

Nun, da die Europäische Union nach jahrelangem Ringen endlich eines der dringlichsten Probleme gelöst hat, indem sie den ruchlosen und unverantwortlichen Gebrauch herkömmlicher Glühbirnen untersagte, wendet sich Brüssel abermals den großen Herausforderungen des Kontinents zu. Emsig wird laut deutschen Medienberichten das für das Überleben Europas zentrale Problem des verantwortungslosen Gebrauchs von Toastern angegangen.

Genauer: der völlig unhaltbare Skandal, dass beim herkömmlichen doppelschlitzigen Toaster gelegentlich nur in einem Toastschacht getoastet wird, aber dennoch beide Schachte beheizt werden müssen. Das Abschaffen eines der beiden Schachte, so hat eine Studie nämlich ergeben, kann bis zu 35 Prozent Stromkosten ersparen. Und weil das den Konsumenten bisher eher gleichgültig gewesen sein dürfte, wird hier wohl früher oder später die Union regulierend eingreifen müssen. Wäre ja noch schöner, wenn in Europa jeder einfach drauflostoastet, ohne dabei vom Friedensprojekt EU pädagogisch traktiert zu werden.

Bemerkenswert daran ist nicht, dass sich die EU wieder einmal um etwas kümmert, was sie genau null anzugehen hat. Bemerkenswert ist, wie völlig unfähig die Union zu sein scheint, aus eigenen Fehlern zu lernen und den gleichen Blödsinn nicht zwanghaft zu wiederholen. Genau das aber geschieht hier: Aus dem Unfug, Glühbirnen verboten und damit halb Europa gegen sich aufgebracht zu haben, lernt Brüssel offenbar nur, sich als Nächstes um den Toaster kümmern zu müssen.

Als Unionsbürger könnte man sich angesichts derartiger unverfrorener Torheit glatt gepflanzt vorkommen. Denn das mehr als evidente Faktum, dass die EU-Bürger diese bürokratischen Zudringlichkeiten Brüssels gar nicht schätzen, wird dort offenkundig nicht einmal mehr ignoriert. Das aber ist für jeden, der diese Veranstaltung ja letztlich mit seinem Steueraufkommen finanzieren muss, fast noch ärgerlicher als die fürsorgliche Teilentmündigung durch die Öko-Planwirtschaft der Union.

Die Methode, einen sichtlich in die Irre führenden Weg stur weiterzugehen und dabei fest daran zu glauben, trotzdem irgendein Ziel zu erreichen, scheint in der EU freilich irgendwie System zu haben. Da ist beispielsweise völlig klar, dass eine Mitgliedschaft der Türkei angesichts des Umbau dieses Landes in ein autoritär-islamisches Gemeinwesen auf unabsehbare Zeit weder wünschenswert noch realistisch ist. Aber trotzdem wird weiter über den Beitritt verhandelt und darf sich Ankara Jahr für Jahr über eine fette Überweisung aus Brüssel freuen. Dass die Mehrheit der EU-Bürger das nicht will, schert die Union herzlich wenig.

Das trägt natürlich in erheblichem Maße dazu bei, das „Friedensprojekt EU“ tief in den Herzen der Menschen zu verankern. Zu besichtigen war das beispielhaft heuer in einer Umfrage des US-Thinktanks Pew Research unter den Bewohnern von sieben EU-Staaten. Eine Mehrheit der Befragten gab da zu Protokoll, die Europäische Union sei „ineffizient, versteht die Bedürfnisse der Bürger nicht und mischt sich zu stark in einzelstaatliche Angelegenheiten ein“.

All das ist weder besonders überraschend noch besonders neu. Bemerkenswert ist aber, wie nonchalant die EU derartige Befunde stets ignoriert. Offenkundig ist es den europäischen Institutionen letztlich gleichgültig, was die Europäer über sie denken, solange die komfortablen Gagen pünktlich auf dem Konto sind. Jean-Claude Juncker, der neue Präsident der EU-Kommission, dürfte dieses Problem übrigens durchaus erkannt haben. Er gelobte daher vor Kurzem, die EU werde sich künftig „groß bei großen Themen, klein bei kleinen Themen“ verhalten. Klingt echt vernünftig.

Was dabei unter „klein“ zu verstehen ist, ließ Juncker aber leider offen. Die „FAZ“ jedenfalls hat schon vom nächsten großen Thema europäischer Regulierungslust berichtet, dem gemeinen Haarföhn: „Man darf gespannt sein, wie ihm Sparsamkeit verordnet werden soll.“

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.