Brauchen wir wirklich noch einen weiteren Terrorstaat?

Ausgerechnet in Frankreich, dem Epizentrum des neuen Judenhasses, hofiert die Nationalversammlung die Feinde Israels: ein degoutantes Schauspiel.

Wer in diesen Tagen in Tel Aviv ein Café, eine Bäckerei oder einen Supermarkt besucht, der kann sich ein wenig wie in Marseille vorkommen: An vielen Tischen wird Französisch gesprochen, Baguettes sind allgegenwärtig, preisgünstiger Bordeaux ist in vielen Läden verfügbar. Das liegt bedauerlicherweise nicht daran, dass die Franzosen Israel trotz der horrenden Preise dort als Reisedestination neuerdings besonders schätzen, sondern daran, dass sich immer mehr französische Juden ein One-Way-Ticket nach Israel besorgen.

Allein zwischen Jänner und September sind 5100 Juden aus Frankreich dorthin ausgewandert. Dass so viele Menschen ein Leben unter der Bedrohung des Hamas-Terrors dem Verbleiben in ihrer französischen Heimat vorziehen, hat einen unschönen Grund. Mehr als 500, teils gewalttätige antisemitische Attacken sind allein heuer in Frankreich registriert worden. Synagogen werden angezündet, jüdische Geschäfte zerstört und bei Demos immer wieder der Ruf „Tod den Juden“ skandiert.

Frankreich, wirtschaftlich ja eher abgesandelt, ist wenigstens in der Disziplin gewalttätiger Antisemitismus europäischer Marktführer. Chapeau! Für die EU, die sich ja gern als moralisch überlegener Hort der Zivilisation und der Menschenrechte geriert, ist es übrigens nicht eben ein Ruhmesblatt, wenn Juden aus einem ihrer bedeutendsten Mitgliedstaaten nach Israel fliehen wie vor den osteuropäischen Pogromen im frühen 20. Jahrhundert. Noch weniger appetitlich ist vor diesem Hintergrund, dass die französische Nationalversammlung diese Woche mit der Mehrheit der linken Abgeordneten beschloss, die von Fatah und Hamas kontrollierten Palästinensergebiete als „Staat Palästina“ anzuerkennen.

Das französische Parlament hat damit im Krieg zwischen dem demokratischen Rechtsstaat Israel, in den sich französische Bürger zu Tausenden flüchten (müssen), und seinen palästinensischen Gegnern, die mit Rechtsstaat und Demokratie eher wenig am Hut haben, eindeutig Partei ergriffen. Und zwar Partei ergriffen für einen „Staat“, der zur Hälfte von der schwer korrupten Fatah, zur anderen Hälfte von der Terrororganisation Hamas beherrscht wird, in deren Schulbüchern Mickey Mouse mit Sprengstoffgürtel die Kleinen achtsamen Umgang mit ihren jüdischen Nachbarn lehrt und offizielle Landkarten ein judenfreies Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer zeigen.

Das französische Parlament hat damit ein unmissverständliches Signal an die Palästinenser gerichtet: Dass weder eine geplante Teilhabe der Hamas an einer palästinensischen Regierung noch terroristische Raketenangriffe auf israelische Städte für französische Linke ein Grund sind, die staatliche Anerkennung aufzuschieben. Die Botschaft ist eindeutig: Macht weiter so, ist ja auch nicht einzusehen, dass französische Juden in Israel weniger Angst haben sollen als in Frankreich.

Es lohnt in diesem Zusammenhang durchaus, sich einmal vorzustellen, welche Werte eigentlich jener Palästinenserstaat vertreten würde, den Frankreich – „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ – da so herbeisehnt.

Freiheit gäbe es in diesem Staat zweifellos: und zwar so wie bisher die Freiheit, arabische Landsleute umzubringen, die Land an Juden verkauft haben, die der Kollaboration mit Israel verdächtig sind oder die der Hamas auch nur politisch im Wege stehen.

Auch Gleichheit wäre ganz sicher ein zentraler Wert – außer natürlich, man ist zufällig Frau, Angehöriger einer anderen Religion als dem Islam, homosexuell oder sonst irgendwie unerwünscht.

Und auch an Brüderlichkeit würde es einem solchen Staat ganz zweifellos nicht mangeln – hat doch etwa der im Westen als gemäßigt geltende Fatah-Führer Mahmoud Abbas erst jüngst die Hinterbliebenen eines Terroristen, der in Jerusalem einen Juden geschlachtet hatte, seiner tief empfundenen Solidarität versichert. Noch brüderlicher geht's ja kaum.

So haben wir uns „Liberté, Égalité, Fraternité“ ja schon immer vorgestellt.

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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2014)

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