Bewahrt ausgerechnet Alexis Tsipras Kärnten vor dem Bankrott?

Eine Insolvenz Kärntens wäre durchaus sinnvoll. Nur: Kann die Republik denn Griechenland retten, aber eines ihrer Bundesländer fallen lassen?

Man soll ja niemanden auf blöde Gedanken bringen, aber nehmen wir einmal an: Bei den Wiener Wahlen tritt eine neue „Partei der Gerechtigkeit“ an, die mit dem Versprechen auf kostenloses Wohnen für alle, Gratisstrom und Öffis zum Nulltarif sowie einen Kasten Bier frei Haus pro Monat für jeden Wiener Haushalt prompt die Mehrheit der Stimmen gewinnt. Verwirklichte eine solche Partei ihre Wahlversprechen, wäre die Gemeinde Wien zweifellos innerhalb kürzester Zeit pleite.

Dann stellte sich für den Rest Österreichs eine spannende Frage: Wären in einem derartigen Fall die Steuerzahler der anderen Bundesländer, die sich kein Freibier für alle gegönnt haben, in irgendeiner Weise verpflichtet, eine Pleite Wiens zulasten und auf Kosten aller anderen abzuwenden? Ziemlich undenkbar ist, dass sich dafür eine Mehrheit fände. Wenn die Wiener sich das eingebrockt haben, dann müssten sie eben auch die Konsequenzen bis hin zur Insolvenz tragen, wäre dann zweifellos der Konsens außerhalb Wiens. Mit Recht.

Warum die gleiche Logik nicht auch heute für Kärnten gelten soll, das ja noch immer milliardenschwere Haftungen für die rauchende Hypo-Ruine trägt, erschließt sich nicht wirklich. Dass Kärnten nicht pleitegehen dürfe, war allerdings eines der gewichtigsten Argumente gegen eine ganz normale Insolvenz der Hypo. (Ob die nun geplante „Abwicklung“ verhindert, dass die Haftungen Kärntens schlagend werden und das Land doch noch in die Pleite reißen, kann heute niemand mit Sicherheit sagen.)

„Die Insolvenz eines Bundeslandes ist undenkbar. Wir lassen niemanden im Stich“, hatte freilich der Bundeskanzler schon vor einem Jahr, als die tatsächliche Größe des Schadens noch gar nicht bekannt war, apodiktisch verkündet und damit eine De-facto-Bürgschaft für Klagenfurt unterschrieben. Dass „die Insolvenz eines Bundeslandes undenkbar“ ist, wird die Franken-Zocker, Schuldenrollierer und zahllosen anderen Spekulanten in den diversen Landesregierungen zwar sicherlich sehr gefreut haben, ist aber genau die falsche Botschaft. Denn eine derartige politische Haftungserklärung bedeutet in der Praxis geradezu eine Einladung an die Zocker in den Ländern, regelmäßig das Casino der Kapitalmärkte aufzusuchen und dort ihr Glück zu versuchen. Ganz nach dem pfiffigen Motto der Wiener Finanzstadträtin, wonach Wien ja nicht mit dem Franken spekuliere, sondern bloß auf bessere Kurse hoffe.

Die wünschenswerte Botschaft hingegen wäre bis heute: Die Insolvenz eines Bundeslandes ist durchaus denkbar, wenn diese Zahlungsunfähigkeit durch völlig verantwortungsbefreites Handeln der vom Volk gewählten Politiker entstanden ist. Denn es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum der Steuerzahler in Vorarlberg, wo die Landeshaushalte in der Regel stinklangweilig ausgeglichen sind, am Ende die Kosten jener jahrelangen riesigen Wörthersee-Party übernehmen soll, die sich die Kärntner herbeigewählt haben, weil es gerade so lustig war. Darüber hinaus könnte eine Pleite Kärntens auch eine gewisse generalpräventive Wirkung auf jene Kämmerer in den Ländern haben, die Schulden für den Ausdruck einer besonders hoch entwickelten Zivilisation halten.

Deshalb hat Finanzminister Schelling durchaus recht, wenn er kühl eine Haftung des Bundes für jene Kärntens bestreitet. Dabei könnte ihm freilich unverdient, aber schmerzhaft auf den Kopf fallen, dass Österreich de facto schon jetzt erheblich für die Schulden des noch weiter südlich gelegenen Griechenland haftet und just im heurigen Sommer vermutlich einmal mehr ein paar hundert zusätzliche Millionen an gutem Geld jenen Milliarden an schlechtem Geld nachwerfen wird, die wir diesem „Kärnten der Eurozone“ schon als Kredite ohne Wiederkehr de facto geschenkt haben.

Zu begründen, warum Wien zwar für die Verbindlichkeiten der Griechen, im Fall des Falles aber nicht für jene der Kärntner haftet, dürfte selbst dem schlauen Hans Jörg Schelling eher schwerfallen.

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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2015)

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