Die Versozialdemokratisierung der ÖVP schreitet munter voran

Das Bankgeheimnis fällt: Ein wesentliches bürgerliches Freiheitsrecht wird geopfert, weil der Staat mit den höchsten Steuern aller Zeiten nicht auskommt.

Wenn der Nationalrat in den nächsten Monaten das Bankgeheimnis in seiner heutigen Form weitgehend abschaffen wird, dann ist dies – ganz ohne milieubedingte journalistische Übertreibung – der massivste Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger dieser Republik seit Menschengedenken.

Um so befremdlicher ist, dass sich die öffentliche Erregung über diesen Anschlag auf unsere Intim- und Privatsphäre in überschaubaren Grenzen hält. Während sonst jeder noch so läppische Verstoß gegen Prinzipien des Datenschutzes hyperventilierenden Alarmismus aktiviert, wird nun eine radikale Demontage der Privatsphäre achselzuckend hingenommen. Dass ein US-Geheimdienst schnüffelt, wer wann mit wem telefoniert hat, gilt als Megaskandal. Dass der hiesige Staat seine eigenen Bürger künftig in den finanziellen Nacktscanner zwingen wird, kratzt keinen.

Was möglicherweise dadurch zu erklären ist, dass sich noch nicht ganz herumgesprochen hat, dass die Finanz künftig nicht nur bei Unternehmen auf dem kurzen Amtsweg jede Kontobewegung begaffen darf, sondern bei jedem und jeder, der neben seinem Gehalt oder seiner Pension ein paar hundert Euro zusätzlich verdient hat – oder auch nur verdächtigt wird, über ein kleines Nebeneinkommen zu verfügen. Schon das gelegentliche Vermieten einer Ferienwohnung, Erteilen von Nachhilfestunden oder Halten von Vorträgen gegen Bares reicht, um das Bankgeheimnis künftig der Finanz gegenüber Makulatur werden zu lassen.

Dabei wird es vermutlich nicht bleiben. Wenn 2017 alle Bankkonten des Landes (und ihre Besitzer) in einem eigenen Register erfasst werden, ist es nur noch ein winziger Schritt zum Zugriff des Staates auf jedermanns Konto. Wir werden das noch erleben, keine Sorge.

Zu meinen, das brauchten nur jene zu befürchten, die etwas zu verbergen hätten, ist in diesem Kontext reichlich naiv. Vertrauliche Daten finden in Österreich so häufig den Weg an die Öffentlichkeit, dass sich die Abschaffung des Bankgeheimnisses als Goldmine für unerquickliche Indiskretionen sonder Zahl erweisen wird. Das kann nur befürworten, wer auch kein Problem damit hätte, all seine Kontoauszüge am Schwarzen Brett seiner Firma oder auf dem Korridor seines Wohnhauses aufzuhängen.

Im Übrigen wird, auch wer nichts zu verbergen hat, der Polizei lieber nicht das Recht geben wollen, jede Wohnung jederzeit und ohne richterliche Anordnung durchsuchen zu dürfen. Privatsphäre verdient Schutz. Auch und besonders die Privatsphäre jener, die sie nicht zur Verschleierung deliktischen Verhaltens missbrauchen. Das gilt für die eigene Wohnung genauso wie für den Aufenthaltsort des eigenen Geldes.

Die Einlassungen der Regierung, die weitgehende Abschaffung des Bankgeheimnisses sei aus Gründen der Betrugsbekämpfung und damit der Steuergerechtigkeit notwendig, dient bloß der Vernebelung der wirklichen Tatbegehungsmotive der Koalition: dem Staat, der völlig unfähig ist, mit den höchsten Steuereinnahmen der Geschichte das Auslangen zu finden, noch ein paar hundert Millionen zusätzliche Einnahmen zu verschaffen.

Das Bankgeheimnis wird geschlachtet, damit der heimische Klepto-Föderalismus, die Luxusrenten jugendlicher Wiener Gemeindepensionisten, sinnlose Röhren durch die Alpen und tausende andere unnötige Ausgaben der öffentlichen Hand weiter bezahlt werden können. Nur deshalb sollen nun aus Zitronen, die eigentlich eh schon völlig ausgepresst sind, noch ein paar Tropfen herausgequetscht werden.

Dass die Sozialdemokratie das ohne Weiteres hinnimmt, überrascht weiter nicht. Dass aber auch die ÖVP mit der Abrissbirne gegen Freiheitsrechte vorgeht, zeigt erneut, wie weit die Versozialdemokratisierung der Volkspartei vorangeschritten ist. Sie lädt damit freilich geradezu zur Gründung einer neuen politischen Gruppierung ein, die sich dieser an der Babyklappe der Ideologien ausgesetzten Werte glaubhaft annimmt.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.