Griechenland als eine britische Kolonie auf Zeit? Wie wär's damit?

Mit herkömmlichen demokratischen Methoden wird die Sanierung des darniederliegenden Landes länger dauern, als die Geduld der Gläubiger reicht.

Den vernünftigsten Vorschlag zur nachhaltigen Sanierung Griechenlands hat jüngst der an der Universität Bern lehrende Ökonom Professor Harris Dellas gemacht, der als gebürtiger Grieche bestens mit der Malaise seiner unseligen Heimat vertraut ist. Das Land, so meint er, solle „für zehn Jahre eine britische Kolonie werden“.

Das klingt ein wenig schräg, würde aber durchaus Sinn haben. Denn selbst wenn die Griechen früher oder später das Murxisten-Regime des Hütchenspielers Alexis Tsipras zum Teufel jagen sollten, ist ja nicht damit zu rechnen, dass eine der anderen politischen Parteien willens und fähig ist, den Staat völlig neu aufzusetzen, funktionierende Institutionen und damit die wichtigste Voraussetzung für eine Genesung der Wirtschaft zu schaffen.

Denn dazu sind alle bestehenden Parteien viel zu sehr Teil jenes Klientelismus, der das Land wie ein Karzinom umgebracht hat. Dieses Problem mit herkömmlichen demokratischen Mitteln zu lösen wird länger dauern, als selbst die eh nahezu unbegrenzte Geduld der Gläubiger des Landes reicht.

Aufbrechen könnten dieses System vermutlich tatsächlich am besten Außenstehende, die selbst keinerlei wirtschaftliche oder politische Interessen in Griechenland haben. Nation Building sozusagen, wie es die Staatengemeinschaft ja auch im Fall anderer gescheiterter Staaten gelegentlich probiert.

Die Griechen in einem Grundsatzreferendum darüber abstimmen zu lassen, ob ihre politische Klasse für ein Jahrzehnt entmündigt und durch einen britischen Hohen Kommissar ersetzt werden soll, der mit einem Team europäischer Fachleute das Land von Grund auf neu aufbaut, wäre vermutlich sinnvoller, als ein Gaunerkabinett von der nächsten Gauklerregierung ablösen zu lassen.

So, wie die Stimmung in Griechenland derzeit ist, kann nicht einmal ausgeschlossen werden, dass eine Mehrheit der Griechen das auch so sieht. Zumal ja die Briten durchaus eine gewisse Kompetenz auf diesem Gebiet haben. Denn 1974 war das Vereinigte Königreich dank konsequenter Umsetzung sozialistischer Wirtschaftspolitik genauso pleite wie heute Griechenland. London musste wie heute die Regierung in Athen den Weltwährungsfonds um Kredite anschnorren, um eine Insolvenz des Landes abzuwenden; Teilentmündigung des Schatzkanzlers eingeschlossen. So wie jetzt in Griechenland ist damals „den Sozialisten das Geld der anderen Leute ausgegangen“, wie Margaret Thatcher das klug formulierte.

Natürlich bedeutete eine solche temporäre Transformation Griechenlands in eine Art Sonderverwaltungszone mit suspendierter Demokratie einen Verlust der Souveränität des Landes. Doch die hat die „Wiege der Demokratie“ als logisch zwingende Konsequenz des jahrelangen Überkonsums ohnehin genauso verspielt wie jeder andere exzessive Kreditnehmer auch: Wer zu lang mehr ausgibt, als er einnimmt, gibt sein Schicksal am Ende immer in die Hände seiner Gläubiger. „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“, hat der deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt einst definiert. Und über den Ausnahmezustand in Athen entscheidet schon längst das Finanzministerium in Berlin.

Aber anstatt daraus die von Harris Dellas vorgeschlagene Konsequenz zu ziehen, überschreitet die europäische Rettungspolitik gerade die Grenze vom Grotesken zum Absurden. Grotesk ist, den Konkurs Athens nun noch weiter zu verschleppen und damit noch kostspieliger werden zu lassen. Absurd ist, dass nun immer mehr Funktionäre des murxistischen Regimes in Hellas erklären, den Bedingungen der Gläubiger zwar formal zuzustimmen, jedoch nichts mit der Umsetzung der darin enthaltenen Maßnahmen zu tun haben zu wollen.

Dies bedeutet: Europa wird einer Regierung etwa 80 weitere Milliarden borgen, die sich schon jetzt mehr oder weniger offen weigert, im wirklichen Leben jene Konditionen zu erfüllen, die Voraussetzung für die Hingabe dieses Geldes ist. Das wird ganz, ganz sicher funktionieren.

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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2015)

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