Hilfe, die Saudis wollen muslimischen Migranten helfen!

Die Ankündigung des saudischen Monarchen, in Europa 200 neue Moscheen errichten zu lassen, darf als eine gefährliche Drohung verstanden werden.

Dass Saudiarabien, genauso wie die schwerreichen Emirate am Persischen Golf, nicht einmal im Traum daran denken, den muslimischen Glaubensbrüdern aus Syrien oder aus dem Irak Asyl zu gewähren, mag zwar aufschlussreich sein, ist aber für die Lösung der europäischen Migrationskrise nur von überschaubarer Relevanz. Erheblich bedeutender könnte hingegen in nicht allzu ferner Zukunft jener Solidarbeitrag sein, den nun der 79-jährige Saudi-König, Salman ibn Abd al-Aziz Al Saud, zu erbringen versprochen hat.

Für jene hunderttausenden Muslime, die in diesen Tagen und Wochen nach Deutschland strömen, möchte der Monarch gleich 200 neue Moscheen zwischen Flensburg und Passau errichten lassen. Nicht auszuschließen ist, dass der König auch Österreich in diesen spirituellen Marshall-Plan nach saudischer Art integrieren will. Man kann das durchaus als eine gefährliche Drohung verstehen.

Denn wo immer Saudiarabien außerhalb seiner Landesgrenzen die Errichtung von Moscheen finanziert hat, wurde in der Folge meist eine besonders radikale Spielart des Islam gepredigt – von Bali bis Bosnien. In Sarajewo etwa wurde 2000 mit Geld aus Riad die größte Moschee Südeuropas errichtet. Sie gilt seither als Hochburg der wahabitischen Szene Bosniens und ist zur wichtigsten Rekrutierungsstelle des Islamischen Staates auf dem Balkan geworden. Im Dorf Gornja Maoca etwa, einer weiteren Wahabiten-Hochburg Bosniens, gleichen die Lebensbedingungen heute schon mehr jenen im IS-Gebiet als jenen in Europa. Frauen müssen dort voll verschleiert sein und dürfen nicht mit Fremden reden.

Dass 200 neue Saudi-Moscheen mitten in Europa dazu beitragen könnten, den Neubürgern aus dem Mittleren Osten möglichst schnell westliche Werte wie Gleichberechtigung von Mann und Frau, Respekt vor Schwulen und Lesben oder die Trennung von Kirche und Staat zu vermitteln, ist leider nicht wirklich zu erwarten. Stattdessen würden sie wohl rasch zum Magneten für jene abertausenden jungen Männer werden, die nun mit herzigen „Refugees welcome“-Schildern begrüßt werden, die aber nach informellen Schätzungen von Hilfsorganisationen in nicht unerheblichem Maße Analphabeten sind; bis zu 50 Prozent im Fall junger Afghanen in Österreich; bis zu 20 Prozent im Fall jener, die behaupten, aus Syrien zu stammen (wo es allerdings dank eines guten Schulsystems nur relativ wenige Analphabeten gibt und deshalb tatsächlich relativ viele qualifizierte Flüchtlinge herkommen).

Wer nicht lesen und schreiben kann, hat genau null Chancen, einen Job zu bekommen. Deshalb ist zu befürchten, dass nicht wenige der jungen Männer, die derzeit so „welcome“ sind, in ein paar Jahren bitter enttäuscht sein werden. Jene 200 Moscheen, die der Saudi-Monarch errichten lassen will, werden diesen zornigen Männern dann sicher gern behilflich sein, zum wahren Glauben zu finden und ihren Unmut in der Folge milieuadäquat zu artikulieren. Und dann haben wir ein ziemliches Problem.

Und nein, man muss nicht paranoid, FPÖ-Politiker oder Pegida-Anhänger sein, um eine derartige Entwicklung für wenig wünschenswert zu halten. Denn sonst könnte eintreten, was der jüdische ungarische Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger Imre Kertész jüngst geschrieben hat: „Europa wird bald aufgrund seines Liberalismus, der sich als kindisch und selbstzerstörerisch gezeigt hat, untergehen. Europa hat Hitler produziert, und nach Hitler steht der Kontinent ohne Argumente da: Die Tore sind weit geöffnet für den Islam [...]. Es endet immer auf gleiche Weise: Die Zivilisation erreicht ein Stadium der Überreife, wo sie sich nicht nur nicht mehr verteidigen kann, sondern auf eine scheinbar unbegreifliche Art auch die eigenen Feinde züchtet.“ (Imre Kertész, „Letzte Einkehr“)

Deutschland und auch Österreich versuchen gerade, das Gegenteil zu beweisen. Die Kanzlerin behauptet ja: „Wir schaffen das.“ „Hilfe“ aus Saudiarabien wird dabei eher nicht hilfreich sein.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2015)

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