Hilferuf einer Unbeachteten

In der schlimmsten Rezession seit 1945 will die Frauenministerin eine Gendergerechtigkeitsinquisition gegen Unternehmen. Gratuliere!

Österreichs Spitzenmanager sind offensichtlich allesamt Vollidioten, die ihre Betriebe jährlich viele Milliarden kosten. Zu diesem Schluss muss man kommen, sollte die von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek aufgestellte Behauptung stimmen, wonach Frauen von den Unternehmen bei der Entlohnung noch immer krass benachteiligt würden. Und zwar sogar so krass, dass sie nun das Gleichbezahlungsgebot unter Strafandrohung von einer Gendergerechigkeitsinquisitionsbehörde durchsetzen will.

Sollte diese Behauptung nicht bloß der Hilferuf einer völlig zu Recht Unbeachteten sein, sondern irgendetwas mit der Wirklichkeit zu tun haben, so lassen Österreichs Unternehmen ganze Berge von Geld sträflich liegen. Denn wenn Frauen tatsächlich in nennenswertem Ausmaß die gleiche Arbeit für weniger Geld leisten, würde jeder Arbeitgeber, der halbwegs Frau seiner Sinne ist, auf der Stelle sämtliche (zu teuren) Männer loswerden und sofort durch (angeblich ja billigere) Frauen ersetzen. So ließen sich Milliarden an Kosten sparen.

Dass dieser Schatz nicht gehoben wird, könnte daran liegen, dass er hauptsächlich in der Imagination der Frauenministerin existiert. Zwar hat sogar der Rechnungshof zuletzt behauptet, dass etwa im Handel Frauen durchschnittlich um 45 Prozent weniger verdienen als Männer – doch was auf den ersten Blick empörend ist, erweist sich bei genauerer Betrachtung weitgehend als optische Täuschung. Denn in diese Berechnung fließen (meist weibliche) Supermarktkassiererinnen ohne weitere Gewichtung genauso ein wie (meist männliche) EDV-Experten des gleichen Supermarktes.

Hier spiegeln sich also weniger empörendes Unrecht als eher unterschiedliche Berufswahl wider. Es mag an Frau Heinisch-Hoseks eigener arg bürokratisch dominierter Erwerbsbiografie liegen, dass sie mit der Realität in der Marktwirtschaft wenig vertraut ist. An der Billa-Kasse verdienen alle genderunabhängig gleich wenig.

Das heißt übrigens nicht, dass es nicht kleinere Unterschiede in der Entlohnung geben mag. Was freilich nicht Ausfluss bitteren Unrechtes sein muss, sondern mit unterschiedlichen Prioritäten zu tun haben kann. So ergaben soziologische Laborexperimente (an der Uni Bonn 2005), dass Frauen in Gehaltsverhandlungen mehr Wert auf Sicherheit und Konstanz der Entlohnung legen als ihre männlichen Mitbewerber. Die hingegen präferieren signifikant öfter leistungsabhängige, damit auch riskantere Arbeitsverhältnisse – die in der Regel aber zu durchschnittlich etwas höheren Bezügen führen.

Dass ein Regierungsmitglied derartige Zusammenhänge strafbar machen will, könnte man zu Zeiten der Prosperität als Beitrag zur österreichischen Kabarettszene entsorgen. Angesichts prognostizierter vier Prozent minus Wirtschaftsleistung ist dergleichen Unfug freilich ziemlich entbehrlich.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.

christian-ortner@chello.atwww.ortneronline.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2009)

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