Herr Häupl, wir haben da ein ziemliches Problem . . .

Drogen-Hotspot U6
Drogen-Hotspot U6Stanislav Jenis
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Wien ist drauf und dran, leicht grindig zu werden. Dass es in anderen europäischen Städten noch schlimmer ist, dürfte die Wiener dabei nicht wirklich befrieden.

Die in China seit Jahrzehnten herrschende kommunistische Partei hat eine Art unausgesprochene Verabredung mit dem Volk getroffen: Die Partei sorgt dafür, dass der Wohlstand der Chinesen jedes Jahr um ein ordentliches Stück wächst – und die Bevölkerung lässt im Gegenzug die Partei ungestört regieren, ohne eine Revolution gegen die Pekinger Eliten anzuzetteln.

In der Stadt Wien funktioniert das seit Jahrzehnten nicht viel anders. Solange die sozialistisch dominierte Stadtregierung dafür sorgt, dass Wien alles in allem einigermaßen gut verwaltet und dabei nicht völlig pleite ist, hält sich der revolutionäre Elan des (ohnehin nur in homöopathischen Mengen vorhandenen) nicht sozialistischen Camps der Bundeshauptstadt in überschaubaren Grenzen.

Selbst im bürgerlichen Döblinger Salon rümpft man zwar die Nase über die Roten, Vetternwirtschaft und dubiose Deals, konzediert unter der Hand aber, dass die Stadt so schlecht nicht funktioniert. Oder besser: noch funktioniert. Denn ausgerechnet die klassische Kernklientel der Wiener SPÖ, die sozialen Unterschichten in den preiswerteren Wohnlagen, nehmen mittlerweile nicht nur hohe Lebensqualität wahr, sondern zunehmende Bedrängnis durch verhaltensoriginelle Zugewanderte aller Schattierungen – es brodelt schon ziemlich.

Da gehen am vergangenen Samstag junge Afghanen und Tschetschenen mit Messern, Eisenstangen und Prügeln so brutal aufeinander los, dass zwei Anzeigen wegen Mordversuchs die Folge sind. Da fallen in der neuen Shoppingmall in Wien-Mitte Migranten unterschiedlicher Provenienz mit Messern übereinander her. Da pöbeln und rempeln Drogendealer entlang der U-Bahnlinie U6 völlig ungeniert und ohne Respekt vor der Polizei.

Da herrschen selbst ernannte tschetschenische Sittenwächter in der Brigittenau junge Frauen an, die am Abend Clubs besuchen. Da hat sich um Bahnhöfe – wie etwa jenem am Praterstern – eine derart dubiose Szene offenkundiger Kleinkriminalität, grundloser Aggressivität und unguter Pöbelei gebildet, dass man Frauen gut versteht, die dort am Abend nicht mehr allein im nahen Prater joggen wollen (wo erst unlängst eine junge Frau vergewaltigt worden ist).

Wien ist – abseits der Bobo-Viertel, des von Securities beschützten Goldenen Quartiers in der City und des eleganten Cottage – drauf und dran, leicht grindig zu werden. Noch ist all das zwar nicht wirklich vergleichbar mit den Zuständen, wie sie in Teilen von Brüssel, Paris oder den No-go-Areas schwedischer Städte herrschen. Aber die Wiener dürften eher nicht damit zu befrieden sein, dass es anderswo noch schlimmer ist.

Nicht unmittelbar damit verbunden, aber trotzdem durchaus ins Bild passend, entwickelt sich die Stadt auch ökonomisch in eine eher problematische Richtung. Die Regionen Prag und Bratislava haben Wien wirtschaftlich schon abgehängt, wohingegen in Wien vor allem die Zahl der Mindestsicherungsbezieher boomt. Die Stadt ist als Industriestandort von überschaubarer Attraktivität, gibt aber gleichzeitig trotzdem unbeeindruckt Geld aus, als gäbe es kein Morgen.

Mit entsprechenden Folgen für die Stadtfinanzen: Die Verbindlichkeiten sind seit 2007 von 1,3 Milliarden auf weit über fünf Milliarden explodiert, auch heuer werden unverdrossen neue Schulden aufgenommen. Nur zum Vergleich: München, mit 1,6 Millionen Menschen nahezu gleich groß wie Wien, hat seine Schulden seit 2005 von damals 3,4 Milliarden auf heute rund 885 Millionen reduziert, ohne dass dort Elendszüge Hungernder durch die Innenstadt zögen. Was natürlich vor allem daran liegt, dass München, anders als Wien, für Unternehmen extrem attraktiv ist, die dann eben auch für entsprechendes Steueraufkommen sorgen.

Wien ist da anders. Aber als Metropole der Mindestsicherungsbezieher und als bunter, multikultureller Konfliktaustragungsort allein wird Wien seine unbestrittene Lebensqualität auf Dauer eher nicht aufrechterhalten können.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2016)

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