Können die Blauen eigentlich Wirtschaft?

Eine allfällige zukünftige Regierungsbeteiligung oder gar FPÖ-Kanzlerschaft wird rasch klarmachen, dass wir es da mit einer sozialistischen Partei zu tun haben.

Auch, wenn es im Moment ganz anders aussieht: Etwas Besseres, als die Präsidentenwahl ganz knapp zu verlieren, konnte der FPÖ gar nicht passieren. Denn nun können die Blauen dank der 50 Prozent einerseits ein gewaltiges politisches Momentum zu ihren Gunsten nutzen, ohne andererseits die Wähler mit einer möglicherweise unerwünschten FPÖ-Doppelspitze in Hofburg und Kanzleramt nach der nächsten Wahl abzuschrecken. Und es ist natürlich der Kanzler, der zählt. Die Chancen der FPÖ, dieses Amt zu erobern, sind nach dem Sieg Van der Bellens intakter denn je.

„Österreich, das bisher in eine rote und eine schwarze Reichshälfte geteilt war, die durch die ewige Große Koalition immer schlechter zusammengehalten wurden, erlebt nicht eine grüne, sondern eine blaue Revolution“, urteilt präzise die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

Grund genug, sich einmal mit jener Frage näher zu beschäftigen, die für die Lebenswirklichkeit der Österreicherinnen und Österreicher wesentlich wichtiger ist als die Schlammschlachten des zurückliegenden Bundespräsidentschaftswahlkampfs: der Frage, welche wirtschaftlichen Auswirkungen eine substanzielle Teilhabe der FPÖ an der Regierungsmacht nach den nächsten Nationalratswahlen eigentlich hätte. Können die Blauen Wirtschaft?

Bürgerliche und Liberale – echte Liberale, nicht die österreichische Liberalala-Spezies – geben sich ja gelegentlich der Hoffnung hin, mit der FPÖ ein marktwirtschaftliches Bündnis der Vernunft jenseits von SPÖ (und Grünen) eingehen zu können, um endlich die dringlichen notwendigen Sanierungs- und Umbauarbeiten am ökonomischen Fundament des Landes angehen zu können. Solche Hoffnungen sind leider mehr dem Wunschdenken als belastbaren Fakten geschuldet. Als Partei der wirtschaftlichen Vernunft und Advokatin marktwirtschaftlichen Denkens taugt die FPÖ ungefähr so gut wie der Bobo-Flügel der Wiener SPÖ – nämlich gar nicht.

Denn trotz ihrer Lippenbekenntnisse zu Wettbewerb und Marktwirtschaft hat sich die FPÖ bisher vor allem als „Partei des kleinen Mannes“ verstanden, den sie sich in der Regel mit allerlei geldwerten Versprechen geneigt macht. Sie ist darin mentalitätsmäßig der SPÖ näher, als dieser lieb ist. Man kann die FPÖ unter diesem Aspekt durchaus als sozialistische Partei beschreiben – was ja auch an ihrer besonderen Beliebtheit in den ehemaligen Arbeiterbezirken der Bundeshauptstadt zu erkennen ist.

Das vermögen auch die reichlich schmalen, dafür aber überaus banalen Passagen zur Wirtschaft im FPÖ-Parteiprogramm nicht zu übertünchen. Dabei widmen die Blauen dem Thema nicht einmal ein eigenes Kapitel, der entsprechende Abschnitt heißt bezeichnenderweise „Wohlstand und soziales Gleichgewicht“. Abseits der handelsüblichen Phrasen („Wir bekennen uns zu einer Marktwirtschaft mit sozialer Verantwortung, fördern die Leistungsorientierung und ermöglichen Wachstum für kleine und mittlere Unternehmen. Ehrliche Leistung muss sich lohnen“) gibt es natürlich den Klassiker „Bürokratieabbau“.

Sonst aber findet sich da wenig wirtschaftsliberales Gedankengut. Die Privatisierung von Staatsbetrieben etwa wird mit keiner Silbe erwähnt, auch nicht die ersatzlose Abschaffung des Ladenschlussgesetzes. Kein Wunder, damit verschreckt man die Wähler in Favoriten oder Simmering eher.

Dazu kommt, dass auch die Personalreserven der FPÖ an wirtschaftskompetenten Damen und Herren eher überschaubar sind. Was ja schon unter Schwarz-Blau und Kanzler Schüssel zu einigen veritablen Hoppalas geführt hat, in einer FPÖ-geführten Regierung machte sich das noch viel schlechter.

Sobald freilich klar wird, dass die FPÖ Nummer eins wird, dürften sich auch durchaus honorige Damen und Herren aus der Wirtschaft auf ihre Neigung zu den Freiheitlichen besinnen. Hinter den Kulissen werden da durchaus schon diskrete Anbahnungsgespräche geführt.


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Zum Autor:

Christian Ortner ist Kolumnist und Autor in Wien. Er leitet „ortneronline. Das Zentralorgan des
Neoliberalismus“.

(Print-Ausgabe, 27.05.2016)

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