Jene Migranten, die Österreich brauchen würde, werden nur dann kommen, wenn Österreich etwas amerikanischer wird.
Seit Außenminister Michael Spindelegger dieser Tage erklärt hat, Österreich benötige die Zuwanderung von 100.000 leistungsfähigen Arbeitskräften, hat sich eine Diskussion von austriakisch-dadaistischer Qualität entfaltet. Denn nun begackert die Politik die eigentümliche Frage, ob man Menschen hier haben will, die im Großen und Ganzen nicht einmal im Traum daran denken, hierherzukommen. Zu unterstellen, Österreich sei für die jüngeren Bildungseliten anderer Regionen ein attraktiver Ort, um dort mehr als eine nette Urlaubswoche zu verbringen, beweist bloß eine ziemlich groteske Selbstüberschätzung der österreichischen Seele.
Darüber zu streiten, ob man diese Hochleistungsmigranten hereinlassen soll oder nicht, gleicht daher einer Debatte darüber, ob man Bill Gates erlauben soll, nächster ÖBB-Boss zu werden.
Auch wenn Herr Strache, Herr Tumpel und all die anderen von der migrantophoben Fraktion das vielleicht nicht nachvollziehen können – für einen jungen Computerfachmann aus der fernen Fremde ist die Perspektive, in Österreich eine der höchsten Abgabenlasten der Welt zu schultern, damit wir Einheimischen unsere Beamten auch weiterhin scharenweise um die 50 herum pensionieren können, kein wirklich überzeugendes Argument, sich hier niederzulassen.
Auch die Vorstellung, sich im Falle eines dank erheblicher Anstrengung errungenen besseren Gehalts künftig von der Kanzlerpartei als „Gstopfter, der die Krise verursacht hat und deshalb jetzt gefälligst zahlen soll“, denunzieren lassen zu müssen, wird die Lust dieses jungen Fremden, zu uns zu kommen, nicht gerade steigern. ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf hat das durchaus treffend beschrieben: Österreichs Steuerquote sei „nahe an der Sklaverei“.
Das liegt nicht an den Steuern allein. Der österreichische Susi-Sorglos-Sozialstaat mag für jene Migrantengruppen einladend sein, die primär eher grundsicherungsaffin als leistungsorientiert sind. Jene Einwanderer hingegen, die Österreich tatsächlich brauchen würde, werden dergleichen naturgemäß eher als Hemmnis betrachten – und sich irgendwo ansiedeln, wo die Steuern niedrig, die Sympathie für unternehmerisches Denken hoch und die Neigung des Staates, seine Bürger zu bevormunden, halbwegs erträglich ist. Genau das ist der Grund, warum der junge Computerexperte nicht nach Österreich auswandern will, sondern normalerweise noch immer in die USA.
Will sich Österreich am internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe beteiligen, wird sich das Land ein paar jener Eigenschaften zulegen müssen, die für diese Menschen attraktiv sind. Eine Steuerquote „nahe an der Sklaverei“ gehört ebenso wenig dazu wie viele andere freiheitsmindernde Features dieser Republik.
Christian Ortner ist Journalist in Wien.
christian-ortner@chello.atwww.ortneronline.at
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2010)