Singapur der Weinbauern oder abgebrannte Großdisco?

Kärnten und Niederösterreich sind zwei – sehr unterschiedliche – Beispiele des real existierenden Feudalismus in den Bundesländern.

Kommenden Sonntag werden in Niederösterreich und in Kärnten die Landtage gewählt. Beide Bundesländer illustrieren auf ihre je eigene Art das Problem des österreichischen Föderalismus. Im Kern besteht dieses Problem darin, dass der Exekutive auf Landesebene – die Legislative als davon unabhängige Kraft existiert dort noch weniger als auf Bundesebene – ziemlich viel Geld zur Verfügung steht, für dessen Einbehaltung aus den erwirtschafteten Einkommen der Bürger sie den Wählerinnen und Wählern nicht Rede und Antwort stehen müssen. Was immer die Bundesregierung an neuen Steuern beschließt: Ein Drittel davon wandert automatisch in die Kassen der Länder.Das verdirbt die Sitten. Es führt dazu, dass Landeshauptleute wie Feudalherrscher agieren, die huldvoll – und natürlich nur zum Besten ihrer Untergebenen – mit Geld um sich werfen.

In Niederösterreich und in Kärnten hat sich diese Feudalherren-Attitüde während der vergangenen zwei Jahrzehnte am deutlichsten ausgeprägt. Jörg Haider und Erwin Pröll haben sich wie absolute Herrscher benommen, sie haben Widerspruch als Majestätsbeleidigung wahrgenommen, und sie haben klargemacht, dass sie das Land letztendlich für ihr Eigentum halten.

Kärnten und Niederösterreich zeigen aber auch, zu welch unterschiedlichen Ergebnissen ein und dieselbe Haltung führen kann:

Jörg Haider und seine Kumpane haben sich Kärnten als ihre ganz persönliche Spaßlandschaft hergerichtet. Sie haben das vorhandene, aber auch das nicht vorhandene Landesvermögen in sinnlose Unternehmungen gepulvert, als ob es kein Morgen gäbe. Und sie haben sich auf Kosten der Allgemeinheit einen aufreizend provinzfeudalen Lebensstil geleistet. Was sie hinterlassen, mutet an wie eine pleitegegangene Großdisco, in der es noch nach billigem Fusel riecht.

In Erwin Prölls Reich herrscht ein klassischerer Stil. Seine Höflinge fahren nicht in zu engen italienischen Anzügen mit dem Ferrari ins Solarium. Im St. Pöltener Hofstaat dominiert Grau – vom Gesicht bis zur Socke. Erwin Pröll versteht sich als vorausschauender Herrscher, der in Infrastruktur, Bildung und Kultur investiert, damit auch seine Enkel noch die Früchte dessen sehen, was er gesät hat. Niederösterreich hat sich unter ihm zu etwas entwickelt, was man das Singapur der Weinbauern nennen könnte: nicht das, was sich unsereiner unter lebendiger Demokratie vorstellt, aber es funktioniert.

Unterschiedliche Ausgangslagen also: In Kärnten kann man nur hoffen, dass das Wahlvolk als Ausdruck seiner Selbstachtung die Herrenbauern-Parodisten an der Landesspitze in die Wüste schickt. In Niederösterreich könnte man theoretisch glauben, dass der Verlust der absoluten Mehrheit Erwin Pröll wieder in die Nähe unserer Umlaufbahn bringen könnte. Das unterschätzt aber praktisch wohl die Distanz, die Herr Pröll im Lauf seiner Herrschaft zwischen sich und das, was wir Realität nennen, gebracht hat.

Die Frage, ob der österreichische Föderalismus noch zeitgemäß sei, gehörte einmal zu den Dauerbrennern der politischen Debatte. Alle Diskussionen über eine Staatsreform, auch jene über eine Wahlrechtsreform, die das Land so dringend nötig hätte, sind eingeschlafen.

Verständlich: Warum sollte man über die Sinnhaftigkeit der Landespolitik diskutieren in einem Land, das von habituellen Bezirkspolitikern regiert wird?


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2013)

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