Die ÖVP will es wissen: "Tu, was ich sage, oder ich erschieß mich!"

Spindelegger, Mikl-Leiter, Erwin Pröll auf dem Weg zu einem Treffen der Regierung mit den Landeshauptleuten
Spindelegger, Mikl-Leiter, Erwin Pröll auf dem Weg zu einem Treffen der Regierung mit den LandeshauptleutenAPA (Fohringer)
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Die Entscheidung über die Fortsetzung der Koalition zwischen SPÖ und ÖVP steht angeblich Spitz auf Knopf. Das bedeutet, die Entscheidung ist gefallen.

Den meisten Menschen, vermutlich auch der Mehrheit der ÖVP-Funktionäre, ist das, was der niederösterreichische Landeshauptmann und der unter ihm dienende Vizekanzler derzeit in Sachen Koalitionsverhandlungen veranstalten, eher peinlich.

Nicht, dass sich unter den sogenannten Bedingungen der Volkspartei für eine Fortsetzung der Großen Koalition nicht vernünftige Dinge befänden (die Frage, die sich der naive Beobachter stellt, ist allerdings, warum man diese Bedingungen nicht schon vor fünf Jahren gestellt hat).

Peinlich ist die Angelegenheit, weil jeder, sogar der sogenannte Innenpolitikchef der „Kronen Zeitung“, weiß, dass es auch dann, wenn die Bedingungen nicht erfüllt werden – und sie werden natürlich nicht erfüllt, sondern gemeinsam uminterpretiert werden, bis keiner mehr weiß, dass es welche gab und wie sie gelautet haben – zu einer Fortsetzung der Großen Koalition kommt. Weil die ÖVP keinen Plan B hat.

Keine der drei theoretischen Alternativen wird von der ÖVP ernsthaft in Erwägung gezogen: erstens die Bildung einer Regierung mit FPÖ und Team Stronach, zweitens die Bildung einer Minderheitsregierung mit vorverhandelten Mehrheiten für definierte Projekte, drittens der Gang in die Opposition. Warum?

Eine Regierung mit Straches Recken und Franks Resten sei inhaltlich indiskutabel und technisch von weiteren Zerfallserscheinungen bedroht, heißt es. Ein plausibles Argument, auch wenn die aktuellen FPÖ-Werte und die Letztklassigkeit, mit der sich das journalistische Edelproletariat von Twitter und Umgebung an Frank Stronach abarbeitet, zur Unterstützung ihrer Gründung anregen.

Eine Minderheitsregierung wird in Österreich prinzipiell für ein undemokratisches Unterfangen gehalten. Das würde ja bedeuten, dass die Nationalratsabgeordneten entscheiden, was Gesetz wird und was nicht, und dann könnte man gleich wieder die Monarchie einführen, das gäbe wenigstens touristisch was her. Mit Demokratie nach österreichischem Verständnis – also der gleichmäßigen Verteilung von Legislative und Exekutive zwischen Sozialpartnern und Parteien – hätte eine parlamentarisch dominierte Gesetzgebung nichts mehr zu tun.

Auch der Gang in die Opposition ist für die ÖVP eine Non-Option. Für die mit Ämtern und Würden angetanen Schläfer im koalitionären Faulbett kommt so etwas nicht infrage, weil sie in Ermangelung eines Rezeptes gegen den Kater nach dem Machtrausch ungern aufstehen.

Für die Minderheit, die verstanden hat, dass eine Fortsetzung der Großen Koalition die ÖVP ungefähr auf das Niveau der Wiener Landesorganisation bringen wird, ist der Gang in die Opposition allerdings auch keine wirkliche Alternative. Sie fürchtet, dass dann erst recht jene urzeitlichen Chromosomensätze, die im Phänotypus des Landeshauptmannes und/oder Kammerpräsidenten zeitweilig Menschengestalt angenommen haben, das Sagen haben.

Eine Überlegung, die man ernst nehmen muss: Tatsächlich wären Geld und Einfluss aufgrund des Föderalismus und der Zwangsbeiträge gewissermaßen verfassungsmäßig dort konzentriert, wo der gesunde Menschenverstand es nicht wollen kann. Die Parteireform, die einigen jüngeren Führungskräften der ÖVP vorschwebt, wäre damit um nichts leichter umzusetzen als in der gegenwärtigen Situation.

Das wiederum würde bedeuten, dass die ÖVP sich nicht zwischen einem kurzen Leben mit einer letzten rauschenden Fünfjahresparty auf der einen und einem langen Leben nach einer fünfjährigen Fastenkur auf der anderen entscheiden kann, sondern lediglich zwischen zwei mittelfristigen Todesarten.

In diesem Gesamtzusammenhang wirkt die Drohgebärde des ÖVP-Chefs in der gegenwärtigen Verhandlungssituation – „tu, was ich sage, oder ich erschieß mich“ – zwar inhaltlich schlüssig und auf eine geradezu entwaffnende Weise ehrlich. Taktisch ist da aber vermutlich noch etwas Luft nach oben.

E-Mails an:office@michaelfleischhacker.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2013)

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