"Danke fürs Zuhören, auf Wiederhören und - Keep Swinging!"

Walter Richard Langer hat eine ganze Generation zum Jazz verführt. Morgen wäre er 80 Jahre alt geworden.

Es war einer jener entspannten griechischen Abende, die man auch nach zwanzig Jahren nicht vergessen hat. Wir saßen im malerischen Hafen von Agios Nikolaos am Peloponnes und unterhielten uns über Willis Conover und seine „Jazz Hour“. Ich hatte mir rechtzeitig vor dem Urlaub ein Kurzwellenradio gekauft: Durchdrungen von der neuen Aufgabe wollte man ja auch im Ausland am Puls der heimatlichen Politik bleiben. Nach den Abendnachrichten von Radio Österreich International schaltete ich zur „Voice of America“, der „Jazz Hour“ des legendären Willis Conover, um. Ja, der sei sein Vorbild gewesen, meinte mein Gesprächspartner, auch wenn er ihm nur ein Mal persönlich begegnet sei. In wenigen Monaten werde sich das aber ändern. Er werde mehr Zeit für sich selbst haben. Ab dem nächsten Jahr gehe er nämlich beim ORF in Pension.

Walter Richard Langer erlebte den Ruhestand nicht. Mit 59 Jahren erlag er 1995 vor Beginn der „Ö1-Jazznacht“ im Studio des Wiener Funkhauses einem Herzanfall. Statt des Treffens im nächsten Sommer ging ich zu seinem Begräbnis. Unter den Rednern war ein griechischer Freund aus Agios Nikolaos. Hat er dafür gesorgt, dass noch Jahre nach dem tragischen Ableben von Walter Richard Langer im kleinen Hafenrestaurant ein Bild von ihm hing? Sicher wusste er, in welcher Felsenbucht sein österreichischer Gast gern in der Sonne lag und stundenlang englische Bücher las. Ahnte er, wie populär der bis zur Unauffälligkeit bescheidene Besucher in Österreich war? Konnte er ermessen, welche musikalische Welt Walter Richard Langer einer ganzen Generation erschlossen hatte?

Walter Richard Langer war ein Markenzeichen. „On the Sunny Side of the Street“ in Tommy Dorseys Version, die Erkennungsmelodie seiner Sendung, bleibt ebenso unvergesslich wie der baritonale Wohlklang seiner Stimme. Österreich kannte ihn als Fernsehsprecher. Zuvor aber hatte er eine Schauspielausbildung am Mozarteum Salzburg abgeschlossen, in Bands gesungen und gespielt, Bühnenauftritte in Linz und Wien absolviert und kleine Sendungen moderiert. Dann erst durfte er, der sich manchmal als „verpatzten Schauspieler“ bezeichnete, probehalber als Nachrichtensprecher im Fernsehen einspringen.

Die gelassen-nuancierte Sprache, mit der er die Tagesmeldungen verlas, könnte heute manchen zum Vorbild dienen. Seine Liebe aber gehörte dem Jazz. Ihn hatte er als Schüler in Linz über einen amerikanischen Soldatensender kennengelernt. In Gerd Bachers runderneuertem ORF bekam der Jazz eine Plattform. Ihr Aushängeschild war „V.I.I.“. Von 1972 an moderierte Walter Richard Langer „Vokal – Instrumental – International“. Es wurde seine Sendung. Er präsentierte legendäre Nummern ebenso wie Neuerscheinungen, lud Gäste ein – unvergessen die Unterhaltung mit dem Jazzfachmann Johannes Kunz – und stellte die Avantgarde ebenso vor wie eine hinreißende Marianne Mendt als Jazzinterpretin. Das Rückgrat seiner Sendungen und seine Leidenschaft waren aber die Big Bands: Tommy Dorsey, Duke Ellington, Woody Herman, Count Basie, Billy Eckstine, Charles Mingus. Es gab keinen Künstler, zu dem er nicht eine Geschichte wusste.

Der ORF bot Walter Richard Langer eine große, nicht immer konfliktfreie Bühne. „Wa-Ri-La“ schrieb aber auch regelmäßig für Fachzeitschriften, übersetzte Musikerbiografien, gab Platteneditionen heraus, präsentierte Jazzevents und war Jurymitglied des Festivals in Montreux. Eine aufmerksame Seele hat eine Folge seiner Fernsehsendungen auf YouTube gestellt. Walter Richard Langer moderiert darin „Bourbon Street“ und zeigt, wie er singen kann: „Lemon Drops“, im Duett mit Teddy Ehrenreich, eine Nummer von Woody Hermans Second Herd.

Das Kurzwellenradio, das ich ihm versprochen habe, steht heute in meinem Badezimmer. Es erinnert mich an eine Persönlichkeit, die als Sprecher großartig, als Experte überzeugend und als Vermittler begeisternd war. Vielleicht wiederholt der ORF im Andenken an seinen „Mr.Jazz“ die eine oder andere Sendung. Walter Richard Langer wäre morgen 80 Jahre alt geworden. Danke für unzählige Sendungen und: „Keep swinging!“

Zum Autor:

Kurt Scholz war von 1992 bis 2001
Wiener Stadtschulratspräsident, danach bis 2008 Restitutionsbeauftragter der Stadt Wien. Seit Anfang des Jahres ist er
Vorsitzender des Österreichischen
Zukunftsfonds.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2016)

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