Kritik ist Kritik, Antiamerikanismus ist Antiamerikanismus

Keiner meiner Kommentare hat so viele Reaktionen ausgelöst wie jener zu den gemeinsamen Wurzeln von Antiamerikanismus und Antisemitismus, den ich an dieser Stelle vor zwei Wochen geschrieben habe.

Die Leserbriefe waren höchst unterschiedlich, zumeist negativ und auffallend emotional. Diese Aufgeregtheit und Formulierungen waren entlarvend und verkehrten den Effekt ins Gegenteil: Sie waren ungewollt der Beweis für die Richtigkeit meiner Feststellungen. Nehmen wir z.B. Peter Rabl, den langjährigen ORF-Journalisten und bis vor Kurzem Kommentator und Leitartikler des „Kurier“. Er schrieb in seinem öffentlichen Blog u.a. Folgendes: „Kritik an der teilweise schwer völkerrechtswidrigen und rassistisch gefärbten israelischen Politik wird unter anderem von ihm traditionell als antisemitisch vernadert.“

Allein diesen Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Er beinhaltet zuerst einmal eine undifferenzierte und für einen führenden Journalisten nicht gerade sachliche Behauptung zur Politik Israels. Aber sei's drum – eine solche tendenziöse Aussage hat man schon bei einigen Medienleuten gelesen. Dann jedoch wirft mir Rabl vor, ich würde jede Kritik an Israel „traditionell“ als antisemitisch „vernadern“. So, so – was ist da mit „traditionell“ jetzt gemeint? Dass ich persönlich jeder Kritik an Israel mit diesem Vorwurf begegne? Das stimmt nicht und ließe sich unschwer mittels einer kurzen Internetrecherche widerlegen. Also „traditionell“ im Sinne von – „wie alle Juden“? Das wäre dann doch ein nettes Beispiel eines Vorurteils oder sogar Ressentiments, oder? Und dann muss es natürlich das Verb „vernadern“ sein – wie denunzieren und verraten (Synonyme laut „Duden“) – ein Begriff der, wie zufällig, gerade in rechten Zirkeln so häufig auftritt.

Einleitend und dazupassend, betitelt mich Rabl als „prominenten Wiener Juden Engelberg“. Alles klar? Damit wir uns richtig verstehen: Da geht es nicht um persönliche Kränkung – man möge mir glauben, eine solche Formulierung lässt mich ziemlich kalt, und Rabls nachgeschobene Entschuldigung nehme ich selbstverständlich an. Dazu kommt, dass der Blog Rabls noch der elaborierteste und zurückhaltendste aller Kommentare war.

Fazit: Kritik an der Politik der USA und auch Israels ist natürlich zulässig, auch wenn man mitunter schon ein bisschen müde wird, dies immer und immer wieder betonen zu müssen. Wieso ist jedoch eine sachliche und ruhige Auseinandersetzung mit durchaus komplexen Themen gerade im Falle der USA und Israels so schwierig oder gar unmöglich? Natürlich ist es sehr spannend zu diskutieren, wieso die Mehrheit der Amerikaner mit der Überwachung durch die NSA durchaus zufrieden ist. Sind deswegen alle Amerikaner paranoid? Und wenn, gilt dann nicht vielleicht der Spruch: „Auch Paranoide haben Feinde“? Hingegen haben wir Österreicher Terrorismus immer am besten damit bekämpft, dass unsere Außenpolitik traditionell mit terroristischen Organisationen im arabischen Raum sympathisiert hat und klammheimlich kooperiert hat, im Abtausch dafür, dass Österreich von Anschlägen verschont bleiben würde. Nach dem Motto: „Anschläge okay – aber macht's die bitte woanders.“ Selbstverständlich gilt es in allen Gesellschaften der freien Welt, darüber einen Diskurs zu führen, wie sehr wir bereit sind, auf Freiheiten zu verzichten, um unsere Sicherheit zu gewährleisten.

Über all diese Fragen ließe sich diskutieren – durchaus mit Verve und Kritikbereitschaft in alle Richtungen. Wann immer es aber um die USA und Israel geht – behauptete ich vor zwei Wochen –, träte allzu vielen Menschen in Österreich der Schaum vor den Mund. Quod erat demonstrandum.

Mag. Martin Engelberg


Reaktionen senden Sie bitte direkt an:debatte@diepresse.com ist Psychoanalytiker, Geschäftsführer der Wiener Psychoanalytischen Akademie, geschäftsführender Gesellschafter der Vienna Consulting Group sowie Mitherausgeber des jüdischen Magazins „NU“.<

Anmerkung der Redaktion: Peter Rabl reagierte in der "Presse" vom 1. August auf diesen Beitrag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2013)

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