Suche nach Frieden: Hardliner werden langsam hysterisch

Im Nahen Osten werden die Stimmen der Radikalen schriller. Das ist ein gutes Omen für den Friedensprozess, der momentan spannend wie ein Krimi verläuft.

Dass sich zuletzt sowohl aufseiten der Palästinenser als auch aufseiten Israels verstärkt Hardliner zu Wort melden, kann nur bedeuten, dass sich die von US-Außenminister John Kerrymoderierten Friedensgespräche konstruktiv entwickeln und in eine entscheidende Phase getreten sind. Die ablehnenden und teilweise sogar gehässigen Wortmeldungen beweisen, dass den Radikalen ihre Felle davonzuschwimmen drohen. Daher reagieren sie so panisch.

Außerdem haben deren Zwischenrufe hohe inhaltliche Aussagekraft: Die Punkte, gegen die sie mit besonderer Verve agitieren, sind genau jene, auf die eine Friedenslösung hinsteuert.

Dazu einige Beispiele: Vor wenigen Tagen warnte Tawfik Tarawi, ein Mitglied der Fatah-Führung und Ex-Kommandant der palästinensischen Sicherheitskräfte, dass Kerrys Vorschläge völlig inakzeptabel seien. Ganz speziell kritisierte Tarawi, dass Abu Dis und Al Ram, beides arabische Vorstädte Jerusalems, als Hauptstadt des neuen Staates Palästina im Gespräch seien. Genau dieser Vorschlag klingt jedoch grundvernünftig. Denn mit diesem Kompromiss hätten sowohl Israelis als auch Palästinenser nebeneinander ihre Hauptstadt in Jerusalem.

Tawfik Tarawi kritisiert weiters scharf, Kerry würde keine Lösung der Flüchtlingsfrage anbieten. Übersetzt heißt dies, dass die Palästinenser auf ihre – völlig unrealistische – Forderung nach dem Recht aller Palästinenser, sich in Israel niederzulassen, verzichten müssen. Das ist gut so. Schließlich würde ein solche Möglichkeit wahrscheinlich von sehr vielen Palästinensern liebend gern in Anspruch genommen werden, würde aber in der Folge den jüdischen Charakter des Staates Israel zerstören. In Israel sind ja bereits heute 20 Prozent der Bevölkerung Araber mit israelischer Staatsbürgerschaft.

Hanan Ashrawi ist Mitglied des Exekutivkomitees der PLO und gilt vielen als progressive und konstruktive Politikerin. Vielleicht, weil sie die einzige Frau in der Führungsriege der Palästinenser und arabische Christin ist. Tatsächlich meldete sie sich seit Jahren mit kritischen Aussagen immer dann zu Wort, wenn Friedensverhandlungen auf einen Erfolg zuzusteuern scheinen. So auch jetzt wieder: Ashrawi dementierte vehement, dass die palästinensische Führung einem schrittweisen Rückzug der Israelis aus dem Westjordanland über einen Zeitraum von drei Jahren zugestimmt hätte. Jetzt wissen wir also, wie lange die Umsetzung des Friedensabkommens dauern würde.

Auch auf israelischer Seite fehlt es nicht an „Torpedierern“: Der israelische Verteidigungsminister, Mosche Yaalon, meinte, die von Amerikanern vorgelegten Sicherheitsarrangements wären das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben seien. Man kann also davon ausgehen, dass die USA – wahrscheinlich im Verbund mit der Nato – die Überwachung der Grenze des neuen Staates Palästina, vor allem auch zu Jordanien hin, übernehmen würden, dies gekoppelt mit Sicherheitsgarantien für Israel. Tatsächlich ist dies die einzige Konstellation, die die Sorgen Israels um seine Sicherheit noch am ehesten beruhigen könnte.

Gar nicht mehr diskutiert wird der Verbleib der großen Siedlungsstädte im Westjordanland – wie Modi'in Illit, Ma'ale Adumim und Ariel – bei Israel. Es kann also als Teil einer Friedenslösung angenommen werden. Israel wird dafür unbewohntes Gebiet an die Palästinenser abtreten. Damit wäre das Schicksal von etwa 80 Prozent der Siedler gelöst. Nachdem einige Palästinenser, unter ihnen auch der Vorsitzende der Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, in den vergangenen Tagen kategorisch verlangten, dass im künftigen Staat Palästina keine jüdischen Siedler verbleiben dürften, kann – wieder im Umkehrschluss – davon ausgegangen werden, dass dies gerade Gegenstand der Verhandlungen ist.

Es zeichnen sind also wieder spannende Zeiten für den Nahen Osten und die Weltpolitik ab. Die Entwicklungen lassen sich dabei Tag für Tag auch aus der Ferne gut beobachten.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Mag. Martin Engelberg ist Psychoanalytiker, Geschäftsführer der Wiener Psychoanalytischen Akademie,
geschäftsführender Gesellschafter der Vienna Consulting Group sowie
Mitherausgeber des jüdischen Magazins „NU“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2014)

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