Abgründe der menschlichen Seele: Der Wahnsinn der Jihadisten

Angesichts der grausamen Brutalität der Jihadisten stellt sich wieder einmal die Frage: Was macht Menschen zu so kaltblütigen und blutrünstigen Mördern?

Wissenschaftler der unterschiedlichsten Professionen haben in den vergangenen Wochen den Versuch gestartet, das brutale Morden der Jihadisten im Irak und in Syrien verstehen zu wollen. Wieder einmal – muss man sagen. Schließlich wird spätestens seit den Verbrechen der Nazis versucht, diesen Abgründen der menschlichen Seele nachzugehen. In den vergangenen Jahren beschäftigen uns gehäuft fanatische Islamisten mit ihrem Tun. Dazu gibt es einige Fakten:

Hinsichtlich der Gast-Jihadisten aus Europa greift die Erklärung, dass diese Opfer sozialer Missstände oder mangelnder Integration in Europa sind, jedenfalls zu kurz. Vielmehr steht fest, dass sie aus den unterschiedlichsten sozialen, ethnischen und wirtschaftlichen Verhältnissen entstammen. So manche Gewalttäter, insbesondere die radikal gewordenen Islam-Konvertiten, stammen aus ganz normalen bürgerlichen Verhältnissen. Im Übrigen wird nicht jeder Immigrant, der sich mit seinem neuen Umfeld und dem Aufbauen einer Existenz schwertut, gleich ein Terrorist und sind nicht alle Gewalttäter Opfer widriger sozialer Umstände.


Bei den Jihadisten von nah und fern lassen sich jedoch jedenfalls folgende Gemeinsamkeiten ausmachen: Sie scheinen alle die klassischen Merkmale einer „Identitätsdiffusion“ aufzuweisen. Sei es, dass sie aus den rückständigen, visionslosen und daher frustrierten Gesellschaften der arabischen und muslimischen Welt stammen oder sich mit der westlichen Welt und dem dort herrschenden Wertesystem nie anfreunden und identifizieren konnten. Zurück bleiben zutiefst frustrierte, innerlich leere und orientierungslose Menschen, welche solche Fragen, wie: Wer bin ich? Welche Bedeutung habe ich in dieser Welt und für andere Menschen? Was sind meine Ziele?, nicht beantworten können.

Solche Personen waren immer schon anfällig für totalitäre Ideologien und deren Wahrheiten, deren klare Schwarz-Weiß-Schemata und deren vermeintliche Sinnstiftung.

Ebenso eindeutig lassen sich die Gewalttäter als Psychopathen im klassischen Sinn ausmachen. Sie zeichnen sich durch ein prekäres Selbstwertgefühl und eine Gefühlskälte anderen gegenüber aus. Sie genießen in diesem Fall die Ausübung der Macht über andere Menschen, diese sadistisch zu quälen und die Möglichkeit zu besitzen, über Leben und Tod zu entscheiden. Damit bekämpfen sie ihre eigenen tiefsitzenden und quälenden Gefühle der Jämmerlichkeit, Angst, Schwäche und Hilflosigkeit.

Die besonders schlechte Nachricht in diesem Zusammenhang: Die Erfolgschancen für die Therapie von solchen Psychopathen ist gleich null. Nicht zufällig zeigte sich der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich hilflos und fragte in einem Interview vor Kurzem den Journalisten ratlos, was er denn mit den Jugendlichen tun solle, die sich den Jihadisten anschließen wollten. Ähnlich äußerten sich betroffene Eltern, die mit ihren Kindern nicht mehr reden könnten.

Das allerdings ist das ultimative Warnsignal. Wenn einmal die Eltern und das unmittelbare Umfeld wie Familienangehörige, Lehrer und religiöse Autoritäten versagt haben und keinen Einfluss mehr auf ihre Jugend haben, dann muss die Gesellschaft mit Polizei, Gerichten und Vollzug die Verantwortung übernehmen, um die Bevölkerung und den demokratischen Rechtsstaat zu schützen. Erst allmählich erkennen die muslimischen Gemeinschaften im Westen und einige arabische Staaten, dass ihnen jene Geister, die sie oft lange gerufen und unterstützt haben, nunmehr ihnen selbst gefährlich werden und schließen sich den westlichen Staaten in ihrem Kampf gegen die Jihadisten an. Es ist zu befürchten, dass dies noch ein langer, schwieriger und mitunter blutiger Kampf wird, den wir aber führen müssen, wenn wir die Werte unserer westlichen Zivilisation erhalten wollen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.09.2014)

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