Verhandlungen: Wie man es macht und wie man es nicht machen sollte

Die Wiener Vereinbarung zur Beendigung des Atomstreits mit dem Iran und der jüngste Anlauf zur Lösung der Griechenland-Krise: Ein Vergleich ist verblüffend.

Mit den Vereinbarungen, die zur Lösung der griechischen Megakrise und des Atomstreits mit dem Iran getroffen wurden, sind wir gerade Zeitzeugen von zwei Deals geworden, die in jedem Fall einen prominenten Platz in der Geschichte finden werden: aufgrund ihres Ergebnisses ebenso wie durch ihre spezifische Dynamik.

US-Außenminister John Kerry verbrachte gut zwei Wochen ununterbrochen in Wien, um die Verhandlungen mit dem Iran zu einem positiven Abschluss zu bringen. Diese Tatsache allein ist rekordverdächtig. Kerry hat damit ein klares Signal gesetzt: Für mich als Außenminister der Supermacht USA hat diese Sache absolute Priorität. Mein Chef, der US-Präsident, steht dabei voll hinter mir, wiewohl ich fürwahr noch andere Aufgaben hätte. Kerry führte die Verhandlungen persönlich und schaltete sich nicht nur ein, wenn es um entscheidende Fragen ging.

Alle diese Punkte sind äußerst bemerkenswert, und von ihnen ist eine klare emotionale Botschaft ausgegangen – Labsal für die empfindliche Seele der Perser. Der Iran steht durch die jahrelangen Sanktionen unter einem hohen Leidensdruck. Umso größer war das Interesse an einem Abkommen. In Wien hat sich offenkundig auch eine gute Chemie zwischen Kerry und seinem Gegenüber, dem iranischen Außenminister, Mohammad Javad Zarif, entwickelt.

Es gibt bereits Erkenntnisse darüber, wie stark sich eine solche Klausurstimmung auf die Teilnehmer auswirkt, mit manchmal schon überschießenden und daher eigentlich dysfunktionalen Dynamiken, etwa einer Verbrüderung und der virtuellen Auflösung der Identitätsunterschiede. Das war bei den Verhandlungen in Wien aber nicht der Fall.

Eine ähnliche Taktik hatte Kerry schon in den Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern angewandt– allerdings erfolglos. Dort mangelte es offensichtlich an einer ausreichend starken Interessenslage beider Seiten, an Bereitschaft und Fähigkeit zum Eingehen von schmerzlichen Kompromissen sowie wohl auch an starken Führungspersönlichkeiten. Das jetzige Agitieren des israelischen Premiers, Benjamin Netanjahu, gegen das Iran-Abkommen aber ist psychologisch gut nachvollziehbar: Als vorgeblicher Schutzvater der Israelis hat er es nicht geschafft, den vielleicht gefährlichsten Widersacher Israels aus dem Feld zu schlagen.

Die militärische Option einer Zerstörung der iranischen Atomanlagen musste Netanjahu bereits mehrfach verstreichen lassen. Dafür hatte er weder die Unterstützung seiner eigenen Militärs noch jene der USA erhalten. Geblieben ist jetzt nur noch das Anstacheln des republikanischen Widerstands gegen Präsident Obama und das Bemühen um stärkere militärische Ausrüstung für Israel.

Geradezu verheerend ist das Drumherum der Vereinbarung, die mit den Griechen geschlossen wurde. Ein selbstherrlicher Alexis Tsipras musste letzten Endes bei den Deutschen um Geld zu Kreuze kriechen. Dafür ging er mit gekreuzten Fingern hinter dem Rücken Verpflichtungen zu Reformen ein.

Tsipras wird also jede Gelegenheit nutzen, um das Versprochene zu verzögern, zu unterlaufen oder schlicht zu brechen. Eigentlich wartet er nur darauf, dass seine linkspopulistischen Freunde in Spanien, Frankreich oder Italien weiter Zulauf erhalten, um mit ihnen gemeinsam dann das Ziel einer Transferunion durchzusetzen. Deutschlands Finanzminister, Wolfgang Schäuble, auf der anderen Seite musste schließlich widerwillig und gegen seine Überzeugung einer Vereinbarung zustimmen.

Aus psychodynamischer Sicht konnte das Ergebnis der Griechenland-Verhandlungen nicht schlechter ausfallen. Alle sind frustriert, es gibt kein Vertrauen, es werden weiterhin Unmengen an Geld verbrannt, und alle Beteiligten gehen davon aus, dass ein Ende der Probleme nicht absehbar ist. Demgegenüber ist der Deal mit dem Iran, bei allen Fragezeichen und Gefahren, geradezu ein Musterbeispiel für gelungene Verhandlungen.

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Zum Autor:

Mag. Martin Engelberg ist Psychoanalytiker, geschäftsführender Gesellschafter der Vienna Consulting Group, Lehrbeauftragter an der Wirtschaftsuniversität Wien und Herausgeber des jüdischen Magazins „NU“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2015)

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