Ein kleiner Lichtblick in diesen düsteren Tagen

Hilfsbereitschaft, Heldentum und Menschlichkeit einerseits – Gemeinheit, Brutalität und Menschenverachtung andererseits: Gut und Böse in Zeiten der Tragik.

In den sich überstürzenden Meldungen über die nach Europa strömenden Flüchtlinge ist die letztwöchige Heldengeschichte über die Verhinderung eine Terroranschlags auf einen Thalys-Hochgeschwindigkeitszug schon fast wieder vergessen. Dabei kann das Handeln der fünf Männer hinsichtlich der Symbolkraft für unsere Gesellschaft nicht genug gewürdigt werden.

In einem Akt von größtem Mut und Entschlossenheit einerseits sowie Verantwortungsbewusstsein und Solidarität andererseits rangen sie – allen voran die drei jungen Amerikaner – mit bloßen Händen den schwer bewaffneten Attentäter nieder, der bereits um sich zu schießen begonnen hatte und der offensichtlich entschlossen war, in dem Zug ein Blutbad unter den Passagieren anzurichten.

Es sind genau diese Eigenschaften, von denen die westliche Welt und insbesondere Europa noch viel mehr brauchen würden: nämlich Zivilcourage und die Bereitschaft, sich für unsere Werte und unsere Sicherheit einzusetzen – und sei es unter Einsatz des eigenen Lebens. Es geht dabei nicht um Kriegslüsternheit, sondern es geht um die Bereitschaft, die Grundfesten unseres Gesellschaftssystems notfalls auch mit Gewalt zu verteidigen.

Wir dürfen nicht wegschauen, uns ducken, den Kopf in den Sand stecken und darauf warten, dass schon jemand anderer eingreifen wird. Sei es im Alltag und in unserer unmittelbaren Umgebung oder sei in unserem Land – bis hinauf zur supranationalen Ebene: Es geht um den Willen, uns und die universalen Werte der Menschheit auch jenseits unserer Landesgrenzen zu verteidigen. Der Slogan darf nicht sein: „Nie wieder Krieg“, sondern er muss lauten: „Nie wieder Unmenschlichkeit!“

Trotz aller und teilweise natürlich berechtigter Kritik stellt sich Europa allmählich der Herausforderung der in immer größerer Zahl heranströmenden Flüchtlinge. Dabei kommt es zu einem späten Triumph des westlichen Wertesystems über jenes in den ehemals kommunistischen Staaten des Ostblocks. Dort meinte man einst, mittels Parolen wie „Hoch lebe die internationale Solidarität!“ die Menschen zu länderübergreifendem Zusammenstehen bewegen zu können. Währenddessen wurde in Deutschland und in den meisten anderen Ländern Westeuropas wertvolle Erziehungsarbeit geleistet und der Grundstein für multikulturelle Gesellschaften gelegt, die sich jetzt bei der Aufnahme und Integration der Flüchtlinge viel besser bewähren.

Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR werden Asylheime angezündet, und es macht sich eine pogromartige Stimmung breit. Länder wie die Slowakei, Ungarn oder die baltischen Staaten reagieren mit hysterischer Verweigerung von Aufnahmequoten für Flüchtlinge, und deren Politiker nutzen die Situation zum Schüren einer fremdenfeindlichen Stimmung unter der Bevölkerung.
In einer solchen Situation zeigt sich natürlich auch der Abschaum der Menschheit. Von Habgier, Skrupellosigkeit und Menschenverachtung getrieben, werden mit dem Elend der flüchtenden Menschen skrupellose Geschäfte gemacht.

So wie einst in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur und in anderen Zeiten der Schreckensherrschaft und Niedertracht wird die unglückliche Lage anderer Menschen brutal ausgenützt. Menschenleben verlieren jeden Wert. Als Rechtsstaaten sind wir herausgefordert, mit aller Härte gegen die schamlose Geschäftemacherei vorzugehen.

In Österreich aber scheint, subjektiv betrachtet, in den vergangenen Tagen das Ausmaß an Hilfsbereitschaft und der privaten Initiativen zur Unterstützung der ins Land strömenden Flüchtlinge geradezu explosionsartig zuzunehmen. In den sozialen Medien jedenfalls beschäftigt sich die Mehrheit der Einträge mit der Flüchtlingsproblematik; die sich dort zu Wort Meldenden übertrumpfen einander gegenseitig mit immer neuen Ideen, wie man den unglücklichen Menschen am besten helfen könnte. In diesen doch sehr düsteren Tagen ist das ein Lichtblick.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2015)

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