An drei Fronten muss der Westen Kampf gegen Terror aufnehmen

Der Krieg gegen IS muss entschlossener geführt werden, die Polizeikräfte gehören massiv verstärkt – und wir werden mit intensivierter Überwachung leben müssen.

Angesichts der anschwellenden terroristischen Gewaltwelle, die derzeit über die westlichen Gesellschaften schwappt, bedarf es jetzt rasch einer umfassenden Gegenoffensive, um den Menschen wieder ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Vor allem muss die westliche Welt jetzt gemeinsam handeln – egal, ob uns die Politik der USA, Israels oder Frankreichs gefällt oder missfällt.

Wir sitzen alle im gleichen Boot – und nur mit vereinten Kräften ist dieser „Kampf der Kulturen“ zu gewinnen und kann der Angriff der mächtig gewordenen Psychopathen abgewehrt werden. Alle gemeinsam müssen gleichzeitig in drei Richtungen arbeiten.

• Erstens muss der Krieg gegen den Islamischen Staat mit noch größerer Entschlossenheit geführt werden und deren quasistaatliches Gebilde im Irak und in Syrien endgültig zerstört werden. Von den meisten westlichen Ländern wurde dafür bisher viel zu wenig getan. Wenn überhaupt, überwogen leere Versprechen, Dampfplauderei und Scheinengagement. Damit muss jetzt Schluss sein.

Im Kampf gegen den IS darf es für kein westliches Land Neutralität oder ein Abseitsstehen geben. Wir alle sind Paris, Brüssel, Tel-Aviv, Orlando und Nizza. Und ja, es sind eher glückliche Umstände, dass wir in Österreich von Anschlägen verschont geblieben sind. Bisher jedenfalls.

Zweitens werden wir um eine massive Verstärkung der Polizeikräfte nicht herumkommen. Ob die Organisation von Bürgerwehren und die Einberufung von Polizeipensionisten der richtige Weg ist, sei dahingestellt. Vielmehr geht es um eine Aufstockung der regulären Sicherheitskräfte und die Einführung umfassender und zunächst einmal andauernder Sicherheitsmaßnahmen. Ein Lokalaugenschein in Israel, wo es eine leidvolle Erfahrung mit solchen Anschlägen gibt, zeigt, was auf uns zukommt: Kontrollen an allen neuralgischen Punkten wie Bahnhöfen, Einkaufszentren usw., verstärkte Polizeipräsenz, umfassender Schutz von Großveranstaltungen.

Ebenso wichtig ist die absolute Kooperation der muslimischen Gemeinschaft bei der Polizeiarbeit. Eine Duldung oder gar Sympathie mit Attentätern darf es nicht mehr geben. Nicht zuletzt deshalb nicht, weil Muslime in mehrfacher Hinsicht selbst Opfer des Terrors sind. Aber dies allein wird nicht ausreichen, um Anschläge aller Art zu verhindern.

• Drittens müssen daher die modernsten Methoden der Überwachung elektronischer Kommunikation und sozialer Netzwerke zur Anwendung kommen. Alle Behauptungen, die Attentäter der jüngsten Zeit wären nicht auffällig gewesen, sind unglaubwürdig. Die Predictive Analytics oder Profiling genannte Vorhersageanalyse aufgrund von charakteristischen Verhaltensmustern wird in den Vereinigten Staaten und Israel bereits mit einigem Erfolg eingesetzt, wenn darüber auch wenig öffentlich bekannt ist.

In Israel heißt es, dass der Inlandsgeheimdienst in so manchen Fällen Personen als potenzielle Attentäter identifizieren könne, bevor diese sich selbst bewusst seien, dass sie demnächst einen Anschlag verüben würden.

In den sozialen Netzwerken tummeln sich auch die „einsamsten Wölfe“, informieren sich, kommunizieren und zeigen Auffälligkeiten. Wenn schon Google, Amazon und andere Unternehmen manchmal mehr über uns wissen als wir selbst, muss es doch möglich sein, solche Erkenntnisse auch vorab über potenzielle Attentäter erlangen zu können. Falls nötig, müssen die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Wir werden – jedenfalls vorerst einmal – mit einer noch stärkeren Überwachung unserer Daten leben müssen.

Die Wiederherstellung der Sicherheit der Menschen hat oberste Priorität. Nur mit einer umfassenden Offensive ist nicht nur der Kampf gegen den Terrorismus zu gewinnen, sondern auch die Machtübernahme rechtspopulistischer Parteien im Westen zu verhindern. Sie versprechen zwar mehr Sicherheit, würden aber wohl nur noch mehr Schaden anrichten. Viel Zeit bleibt uns nicht mehr.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Mag. Martin Engelberg ist Psychoanalytiker, geschäftsführender Gesellschafter der Vienna Consulting Group, Lehrbeauftragter an der Wirtschaftsuniversität Wien und Herausgeber des jüdischen Magazins „NU“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2016)

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