Bei dem Spruch „Retten wir das Klima“ schwingt zu viel Hybris mit

Für den Wiederaufschwung der Wirtschaft brauchen wir weitblickende Vorhaben, die neue Bedürfnisse wecken. Der Klimawandel dürfte dafür jedoch ein wenig zu windig sein.

Herr Hermann Pummer hat in einem Leserbrief Generalsekretär Ban Ki-moon gegen meinen Vorwurf, Leisetreter zu sein, verteidigt: Ban habe beim Wirtschaftsforum in Davos vor knapp zwei Jahren als Einziger starke Worte gefunden, als er im Zusammenhang mit den prognostizierten Folgen des Klimawandels von einem „globalen Selbstmordpakt“ sprach. Herr Pummer hat ganz recht. Allerdings sind solch stark klingende Worte, selbst wenn man sie vor Vertretern der Wirtschaft ausspricht, spottbillig gesagt.

Wirklich mutig wäre Ban gewesen, hätte er den energischen Ausbau der Kernkraft gefordert, weil mit Wind- und Solarkraft allein der Zuwachs von CO2, das durch das Verbrennen fossiler Kohlenwasserstoffe entsteht, nicht zu verhindern sein wird. Aber damit hätte er wohl nicht nur bei Herrn Pummer, sondern bei fast allen sich umweltbewusst Fühlenden des deutschsprachigen Raums wütenden Protest geerntet. Nur Alarm zu schlagen, um im Klagen der vielen über den Klimawandel mitsingen zu können, ist bloß hausbacken, aber nicht beherzt.

Alarmieren ist „in“. Die eben abgehaltene UN-Klimakonferenz in Doha war der „Presse“ den Aufmacher der Samstagsausgabe wert. Wie so oft wurde eine düstere Zukunft gemalt, das Titelbild zeigte, dass die Erde wie Speiseeis in der warmen Sonne zu schmelzen droht. Aber „oberflächliche, belehrende Gesamtschauen, die die Welt ganz nebenbei erklären, gibt es gerade zum Modethema Klimawandel in großer Zahl“, klagte der allzu früh verstorbene österreichische Klimaforscher Reinhard Böhm, dessen Expertisen im Unterschied zu den wohlfeilen apokalyptischen Warnrufen anderer gern überhört wurden. Es stimmt nämlich nicht, wie der „Presse“-Leitartikel nahelegt, dass Klimaskeptizismus – was soll, nebenbei gesagt, dieses dumme Wort? – pseudowissenschaftlich ist. Jedenfalls nicht, wenn man so argumentiert:

Erstens soll man keinen Skeptiker als „Klimaleugner“ schelten. Denn niemand Vernünftiger leugnet das Klima, auch nicht, dass es einen Wandel des Klimas gibt. Es gab diesen schon immer und wird ihn wohl noch weitere Milliarden Jahre geben. Da jedoch die Parameter, die Klimaänderungen hervorrufen, weder in ihrer Gesamtheit überblickt, noch in ihrer Gewichtung mit letzter Sicherheit bewertet, noch in ihrer Wirkungsweise in allen Details analysiert werden können, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden, dass Voraussagen der Alarmisten hieb- und stichfest sind.

Zweitens wird kein vernünftiger Skeptiker gegen den Ratschlag sein, man möge mit der Natur schonend und besonnen umgehen. Doch beim aktionistischen Spruch „Retten wir das Klima!“ schwingt zu viel Hybris mit: Weder wissen wir, inwieweit der Mensch den Wandel des Klimas beeinflusst hat, noch ist der plakativ verkündeten Rettung zu trauen. Das endet damit, dass die einen Frevler auf die anderen zeigen, und keiner weiß, wer lässlich und wer verhängnisvoll sündigt.

Drittens ist der Klimawandel längst schon zu einem Kulturprojekt geworden. Ob die Natur dabei mitmacht, ist den Werbern egal. Sie heischen nach Aufmerksamkeit und wollen gewaltig viel Kasse machen. Tatsächlich brauchen wir für den Aufschwung der Wirtschaft weitblickende Vorhaben, die neue Bedürfnisse wecken. Doch dafür dürfte der Klimawandel ein wenig zu windig sein.


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Zum Autor:

Rudolf Taschner
ist Mathematiker und Betreiber des math.space im
quartier 21, Museumsquartier Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2012)

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