Bekanntlich ist nichts umsonst – außer der Käse in der Mausefalle

Jene Redaktionen vonZeitungenund Magazinen,die auf die Qualität ihres Leseangebots Wert legen, werden bald für ihre Artikel im Internet Geld einheben. Und das ist gut so.

Eine meiner deutschen Lieblingszeitungen, herausgegeben vom Axel-Springer-Verlag, den die Angehörigen der 68er Spätlese immer noch meiden wie der Teufel das Weihwasser, überraschte mich kürzlich in seiner Online-Ausgabe beim Anklicken eines Aufsatzes mit der Meldung, die Redaktion fühle sich geehrt, dass ich so viele der Artikel über Internet lese, ab nun aber müsse ich bis Monatsende für jeden weiteren von mir via Internet erhaltenen Beitrag einen kleinen Obolus entrichten.

Ich habe dies vermieden, denn ich weiß, in welchem Wiener Kaffeehaus diese Zeitung aufliegt. Und das Geld im Café loszuwerden, ist mir immer noch lieber als vor dem Bildschirm. Aber ich habe für die Entscheidung der Redaktion, ihre Berichte und Essays nicht mehr gratis elektronisch verfügbar zu machen, volles Verständnis.

Bei einer mir ebenfalls lieben Schweizer Wochenzeitschrift, die sich durch ihr gewitztes und geistreiches Bürsten gegen die Welle der von den allzu Bedächtigen verordneten öffentlichen Meinung auszeichnet, ist diese Aufbereitung ihrer Artikel im Internet schon lange geübter Usus: Nur wenige Beiträge sind gratis zugänglich. Bei den meisten locken die ersten Sätze, die man angeboten bekommt, zum Weiterlesen, aber dann wird der Internetbenützer darauf aufmerksam gemacht, dass der gesamte Artikel nur Abonnenten der Zeitschrift zugänglich sei. „Eine einmalige Registrierung genügt“, steht weiter geschrieben, „und man hat via E-Mail-Adresse und Passwort jederzeit vollen Zugriff auf sämtliche Artikel.“

Gediegene Information und gehaltvolle Abhandlungen sollen abgegolten werden – auch über das Internet. Über kurz oder lang werden die Redaktionen der Zeitungen und Zeitschriften, die auf Qualität Wert legen – und Qualität ist nun einmal teuer –, es sich nicht mehr leisten können, all das, was in Papierform bezahlt werden muss, im elektronischen Format gratis zur Verfügung zu stellen.

Es widerspricht auch der Wertschätzung, welche die Arbeit der Verfasserinnen und Verfasser verdient. Zwei Fragen, die bei der Abkehr vom Gratiszugang auftauchen, lauten:

Erstens: Wie gelingt es, den Internetbenützer mit einem einfachen, effizienten und gläsernen System zu locken, wie legt man die angemessenen Preise fest, wie die für den Benutzer überschaubare Gebarung? Es wäre vernünftig, dass die Herausgeber gemeinsam darauf kluge Antworten finden, die der Leserschaft als Richtschnur dienen.

Zweitens: Droht nicht die Gefahr, dass sich jene Leserschaft, die keinesfalls gewillt ist, auch nur einen Cent für den Internetzugang zu bezahlen, völlig vom scheinbar teuren journalistischen Produkt ab- und den Krawallmedien zuwendet, die es garantiert umsonst – im wahrsten Sinne des Wortes – gibt?

Hier bietet sich als Lösung folgende Strategie an: Man stellt die Artikel in zweifacher Weise im Internet zur Verfügung. Entweder können sie bei Bezahlung durch den Leser beliebig lang störungsfrei konsumiert werden. Oder aber ihr Internetkonsum wird von einer inserierenden Firma finanziert, die dafür das Recht erhält, jederzeit für ein paar Sekunden den Artikel verschwinden und dafür ihr eigenes Angebot auf dem Schirm erscheinen zu lassen. Diese Werbeintegration ist bei freiem Internetzugang völlig legitim. Denn nichts ist umsonst. Außer der Käse in der Mausefalle.


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Zum Autor:

Rudolf Taschner
ist Mathematiker und Betreiber des math.space im
quartier 21, Museumsquartier Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2013)

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