Ein Land mit lauter Schulexperten: Besser, manche würden schweigen

Profunde Kenner des Schulsystems werden von selbst ernannten Fachleuten übertönt, die sich mit ihren Klagen eine Sinekure zu verschaffen wissen.

Österreich ist ein Land von mehr als sieben Millionen Schulexperten. Denn bis auf die Kleinkinder haben alle im Lande ihre Schulerfahrungen gemacht. Das genügt, um die Patentrezepte für die bessere Schule zu kennen.

Eigenartig mutet es an, wenn die Landeshauptleute von Vorarlberg und Tirol kraft ihres Amtes als Präsidenten ihrer Landesschulräte Ratschläge zur Einrichtung einer Gesamtschule geben. Ob die Idee der Gesamtschule Unfug ist oder nicht, tut hier nichts zur Sache. Vielmehr ist es kurios zu sehen, wie bei solchen Wortmeldungen die Tradition des Feudalismus durchschimmert. Anscheinend sind die „Landesherren“ im Blick auf „ihre“ Schulen einer Art „cuius regio eius religio“ verhaftet.

Noch eigenartiger aber ist es, wenn die Herren Landau und Küberl über Schulorganisation öffentlich schwadronieren und dies als Vertreter ihrer Organisation tun – einer Organisation, die ihr durch Spenden erworbenes Geld eigentlich nicht für Elaborate von Schulexperten oder von Leuten, die sich dafür halten, ausgeben sollte. Aber das hat die Caritas ohnehin nicht investieren müssen. Denn die Herren Landau und Küberl taten dies ehrenamtlich und wollen anscheinend selbst unter den mehr als sieben Millionen Schulexperten in Österreich in der ersten Reihe sitzen.

Wobei die meisten der sich in den Medien auf die ersten Plätze nach vorn drängenden professionellen Schulexperten in Wahrheit nur daran interessiert sind, dass auf ewig das Jammern über das Schulsystem, die Schulorganisation und vor allem über die Lehrer prolongiert wird: Denn dadurch verschaffen sie sich im Verpacken billiger Klischees in gefällige Sprüche eine Sinekure sondergleichen. Ihre Utopien werden ohnehin nie verwirklicht, und das Schüren von Klagen über die Schule belebt ihr Geschäft.

Selbst wenn sie schon längst dem Stand der Pensionisten angehören oder ins Ausgedinge der Emeritierung geschickt wurden – ihren seit 1968 fabulierten Traum der von ihnen erfundenen idealen Schule, der gottlob nie verwirklicht wurde, tragen sie weiter wie ein Mantra vor sich her. Je älter sie sind, umso besser verstehen sie die Probleme der Jugend, die Mängel des derzeitigen Schulsystems, die Schwächen der Lehrer – so behaupten sie jedenfalls.

Eine der wenigen Ausnahmen, einer der wenigen profunden Kenner des Schulsystems, der leider viel zu selten gehört wird, ist der Bildungsforscher Stefan Hopmann. Leute wie Landau übertönen ihn, weil sich seine nüchternen und klaren Analysen kaum für ein Anschwärzen von Schule und Lehrern eignen. Keiner der Eiferer für Schulreformen mit Chancengleichheit als Ziel will von Hopmann hören, dass die feurig verlangte Änderung der Schulorganisation nie und nirgends die erhoffte Verbesserung herbeiführte.

Mit der These „Die Gesamtschule macht unser Schulsystem nicht gerechter“, macht sich Hopmann keine Freunde unter ihnen, auch nicht mit seiner lapidaren Feststellung: „Wer Chancengleichheit ermöglichen will, muss Schulen ungleich behandeln.“

Natürlich weiß auch Hopmann, dass Schulen besser werden sollen. Aber der Weg, den er vorschlägt, nämlich auf das Engagement und die Professionalität der in ihnen wirkenden Lehrer – Frauen wie Männer – zu setzen, von ihnen fachliches Wissen und erzieherisches Können zu verlangen und ihnen dafür auch entsprechenden Respekt zu zollen und sie angemessen zu entlohnen, ist natürlich mühsam.

Dennoch ist es der Königsweg: die Bevormundung der Schule durch den Staat zu beenden, die Zügel der Schulorganisation zu lösen und die Lehrer eigenverantwortlich unter der Führung eines im Management geschulten Direktors unterrichten zu lassen.

In diesem Sinn war der diese Woche in der „Presse“ veröffentlichte Gastkommentar von Peter Stiegnitz pures Labsal, wonach es hoch an der Zeit wäre, Lehrer nicht nur zu kritisieren, sondern ihnen auch zur Seite zu stehen.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2013)

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