Die Fantasie im Erfinden von Schikanen kennt keine Grenzen

Die Bürokraten der EU handeln nach dem Motto: lieber von oben herab verordnen, als auf die Vernunft der Bürger vertrauen.

Die EU-Kommission sagt, so schrieb „Die Presse“ diesen Dienstag, stromfressenden Staubsaugern den Kampf an. Schrittweise dürfen ab kommendem September nur noch Geräte mit einer Leistung von maximal 1600 Watt verkauft werden. Exakt drei Jahre später soll die Grenze auf 900 Watt sinken. Vonseiten des Verbandes für Elektro- und Elektronikindustrie zeigt man sich ob der neuen Regeln zufrieden, denn „das gibt dem Markt einen Innovationsschub“. Wirtschaftswachstum kraft behördlichen Entscheids – wer daran glaubt, ist naiver als jemand, der den eierlegenden Osterhasen anbetet.

Für das Wirtschaftswachstum wurde diese Verordnung auch nicht erlassen, sondern für die „umweltgerechte Gestaltung von Staubsaugern“. Diese soll dazu beitragen, dass die EU bis 2020 die selbst gesetzten Klimaschutzziele erreicht. Dass damit die Wahlfreiheit der Konsumenten eingeschränkt wird, scheint bei den EU-Behörden niemanden zu stören. Wie überhaupt der Begriff „Freiheit“ in der EU zu einem Fremdwort verkommt.

Argumente gegen die Staubsaugerverordnung, die genauso hanebüchen wie die sattsam bekannte und völlig bornierte Glühbirnenverordnung ist, liegen auf der Hand: Zum einen ist die vermeintliche Schädigung der Umwelt durch einen 2000-Watt-Staubsauger sicher weitaus geringer als andere Umweltsünden, über die die Bürokraten der EU gnädig hinwegsehen. Wer in den Couloirs von Brüssel würde es wagen, den Kauf von SUV-Fahrzeugen zu verbieten, den Flugverkehr oder die Lkw-Transporte einzuschränken?

Überdies ändert sich der Energieverbrauch bei halber Leistung und doppelt so langer Laufzeit nicht. Wenn ein 900-Watt-Gerät der Verschmutzung des Teppichs nicht so Herr wird, wie es früher dem 1800-Watt-Staubsauger locker gelang, darf man sogar damit rechnen, dass die verzweifelte Putzkraft länger als die doppelte Zeit krampfhaft versuchen wird, mit dem „umweltgerecht“ gestalteten EU-konformen Staubsauger auf dem Teppich herumzufahren. Doch von alledem abgesehen: Es gibt wohl dringendere Probleme, mit denen sich die EU-Behörden beschäftigen sollten.

Am widerlichsten aber ist die Gängelung von Untertanen, die sich anscheinend zur liebsten Beschäftigung der EU-Bürokratie mausert. Und diese Gängelung hat Methode: Zugunsten eines scheinbar hehren Gutes glaubt die EU, die Freiheit des Einzelnen beschneiden zu müssen. Damit verspielt sie jeden Kredit. Weder ein Staat noch ein Staatenbund darf von seinen Bürgern blindes Vertrauen in die angebliche Weisheit jener verlangen, die Verordnungen erlassen. Wohl aber kann der Staat von seinen Bürgern Loyalität erwarten. Dies aber nur dann, wenn er für deren Sicherheit und Freiheit sorgt, nicht aber, wenn er in die Privatsphäre seiner Bürger eingreift. Spätestens mit der Glühbirnenverordnung – wie läppisch sie auch scheinen mag – hat die EU diese Grenze überschritten, und der Staubsaugererlass beweist, dass sie ihr widerwärtiges Bevormunden nicht aufzugeben bereit ist.

Es sieht ganz danach aus, dass wir uns auf noch viel verrücktere Verordnungen werden einstellen müssen, denn der Fantasie von Behörden im Erfinden infamer Schikanen ist keine Grenze gesetzt. Beispiele fallen einem zuhauf ein: „Umweltgerecht“ wird der EU-konforme Staubsauger erst dann sein, wenn sein Energieverbrauch beschränkt wird: Nach einer bestimmten Betriebszeit pro Woche schaltet ein EU-Chip ihn einfach ab. Erst in der nächsten Woche wird die Sperre wieder aufgehoben. (Nützt indirekt dem Wirtschaftswachstum, denn gewitzte Konsumenten leisten sich dann mehrere Geräte.)

Die Staubsäcke des EU-konformen Staubsaugers sind mit einem Minisensor ausgerüstet. Landen sie im falschen Mülleimer, wird automatisch eine Anzeige gegen den Staubsaugerbesitzer erlassen. Und das ist erst der Anfang. Denn das Motto lautet: statt auf die Vernunft zu vertrauen lieber Verfügungen zu erlassen.

E-Mails an:debatte@diepresse.comZum Autor:

Rudolf Taschner
ist Mathematiker und Betreiber des math.space im
quartier 21, Museumsquartier Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2013)

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