PISA-Brimborium verstellt nur den Blick auf das Wesentliche

Beispiel Mathematik: Am Fortkommen der Jugendlichen sind PISA und OECD gar nicht interessiert, sondern nur an den bunten Balken ihrer Statistiken.

Zufällig ausgewählte 15-Jährige aus aller Welt wurden im Frühjahr 2012 von PISA getestet, jenem von der OECD eingerichteten Unternehmen, das die kognitiven Leistungen in den Bereichen der Sprache, der Naturwissenschaften und der Mathematik überprüfen zu können meint.

Man mag gegen PISA mehr als berechtigte Zweifel hegen: an den Beispielen, an der Auswahl der Getesteten, an der Geheimnistuerei der PISA-Behörden, an der Erstellung der Ranglisten und an vielem anderen mehr. Aber all dieser Kritik zum Trotz: Es wurde entschieden, dass wir 2012 mitspielen. Natürlich mit dem Ziel, möglichst gut abzuschneiden.

Um dieses Ziel erreichen zu können, überzeugte Bianca Taschner, Organisatorin des im Museumsquartier Wien angesiedelten math.space, maßgebende Beamte des Ministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, die math.space-Initiative „Ausgerechnet PISA – Österreich zeigt, was es kann!“ zu unterstützen. Unter anderem reiste ich im Zuge dieser Aktion durch die Bundesländer und versuchte, in elf über Österreich verstreuten Veranstaltungen zusammen mit Vertretern der lokalen für Bildung und die Schulen zuständigen Institutionen möglichst viele Lehrer sowie alle anderen Interessierten zu ermutigen, die jungen Leute PISA-fit zu machen.

PISA ist wie ein Ländermatch zu sehen. Da gilt es, Wissen zu festigen, den Ehrgeiz zu wecken und anzuspornen, sein Bestes zu geben. Die Vorträge fanden regen Zuspruch. Dennoch blieb Skepsis PISA gegenüber bestehen, und dies zu Recht. Denn die getesteten Schüler werden nie erfahren, wie sie persönlich abgeschnitten haben – und das ist alles andere als motivierend.

Die Ergebnisse des Tests werden erst eineinhalb Jahre nach seiner Durchführung veröffentlicht. Würde das ein Lehrer mit seinen Schularbeiten so handhaben, wäre Feuer am Schuldach. Die OECD aber kann sich das achselzuckend erlauben. Denn am Fortkommen der Jugendlichen selbst ist sie überhaupt nicht interessiert, sondern nur an den bunten Balken ihrer Statistiken. Nächsten Dienstag aber ist es so weit: In einer theatralischen Inszenierung werden die Ergebnisse des PISA-Tests verkündet werden. Bis dahin gilt strengste Geheimhaltung, die anscheinend sogar vom US-Abhördienst NSA gewahrt wird.

Gerüchteweise wurde jedoch bereits angedeutet, dass Österreich diesmal besser als zuvor abgeschnitten haben dürfte. „Das erfuhr“, so heißt es, „die APA inoffiziell von mehreren Seiten. Indiz dafür auch: Die scheidende Unterrichtsministerin Claudia Schmied hat schon angekündigt, die Studie noch selbst vorstellen zu wollen.“

Ist dies wirklich so der Fall, wäre es für math.space erfreulich. Nicht wegen PISA, sondern, weil unter Beweis gestellt wäre, dass Mathematik, selbst wenn sie mit zum Teil eigenartigen Multiple-Choice-Aufgaben bis zur völligen Unkenntlichkeit hin verfremdet ist, in unserem Land nicht mehr den schlechten Ruf verdient, der diesem Fach von einigen Unbelehrbaren immer noch nachgesagt wird.

Erfreulich ist weiters, dass es gelungen ist, junge Leute über die in der Aktion angesprochenen Lehrer für die Mathematik zu interessieren. Aber nicht wegen PISA. PISA war dafür ein eher mäßig gutes Mittel zum eigentlichen Zweck.

Denn über die Qualität unserer Schulen und über unser Bildungssystem sagt PISA – egal, ob wir uns über gute Ergebnisse freuen können oder wegen schlechter Resultate verärgert oder gar beschämt sind – herzlich wenig aus. Das ganze Geld, das man bisher in den PISA-Zirkus gesteckt hat, ist die Einsichten nicht wert, die PISA zu liefern vorgibt.

Darum wäre es klug, spätestens jetzt aus PISA auszusteigen. Bei dem Brimborium, das man mit den zentral gestellten Tests zur Überprüfung von „Kompetenzen“ anstellt, droht der Blick auf das Wesentliche des Mathematikunterrichts verloren zu gehen.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

Zum Autor:
Rudolf Taschnerist Mathematiker und Betreiber des math.space im quartier 21, Museumsquartier Wien. Sein neuestes Buch: „Die Zahl, die aus der Kälte kam. Wenn Mathematik zum Abenteuer wird“

(Hanser-Verlag).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2013)

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