Die Bösen dieser Welt erzittern, denn erschienen ist der Messias 2.0

Der Heiland der notorischen Amerika-Hasser, Edward Snowden, erhielt unter riesigem und irrationalem Applaus der Medien den Alternativen Nobelpreis.

Das schwedische Komitee des sogenannten Alternativen Nobelpreises würdigte den Mut des jüngst gekürten Preisträgers Edward Snowden: Er habe das „Ausmaß der neuen Verbrechen“ enthüllt und „den Bewohnern dieses Planeten einen riesigen Dienst erwiesen“. Billiger darf man es nicht geben, wenn man das Wirken des Messias 2.0 verkündet.

Tatsächlich hat der als grandioser Aufdecker gepriesene Snowden niemandem, der seine sechs Sinne beisammen hat, auch nur den geringsten Dienst erwiesen. Denn es ist offenkundig, dass der kleinste Pieps, den man über ein elektronisches Medium in die Welt setzt, von allen Geheimdiensten, die ihren Namen verdienen, abgefangen, entschlüsselt – so der Pieps verschlüsselt war – und registriert werden kann.

Genauso offensichtlich ist es, dass ein Geheimdienst, so er die nötigen Ressourcen besitzt, diese Recherche im größtmöglichen Umfang durchführt. Wer sich hierüber wundert, ist genauso naiv wie einer, der sich wundert, dass ihn seine Nachbarn meiden, weil er auf einer Postkarte bekennt, an Pest und Cholera zugleich erkrankt zu sein.

Man mag zugestehen, dass Snowden mit der Aufdeckung dieser Binsenwahrheit die Augen der allzu Naiven – und das sind sicher nicht alle „Bewohner dieses Planeten“ gewesen – geöffnet hat. Den Schaden, den er dabei angerichtet hat, wollen die nun von ihm aus ihrer Naivität Erlösten hingegen nicht wahrhaben. Er dürfte so gering nicht sein.

Nicht umsonst flötet sein umtriebiger Vater in Interviews, er sei so froh und dankbar, dass sein Sohn in Russland sein könne. Und er antwortet auf die Frage, ob auch die russische Seite für den Verrat von Geheimnissen seines Sohnes „dankbar“ sei: „Das würde er nicht tun, da bin ich ganz sicher. Es gibt Kräfte in den Staaten, die diese Spiontheorie vertreten, aus politischen Gründen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er angesprochen wurde. Aber ich kann Ihnen versichern: Edward Snowden wäre ein miserabler Spion.“ Anscheinend brauchten russische Agenten diesen Vater gar nicht umzudrehen, denn er hat jetzt schon keine einzige Tasse mehr in seinem Schrank.

Inwieweit Wladimir Putin sein aggressives Agieren gegenüber dem Westen mit von Snowden preisgegebenen Informationen abgesichert hat; inwieweit es Snowden anzulasten ist, dass der amerikanische Präsident gegenüber dem syrischen Diktator eine rote Linie zog, aber nicht einzuschreiten wagte, als dieser die Linie frech überschritt; inwieweit die Schlächter des Islamischen Staates von der auf Umwegen via Snowden erworbenen Kenntnis der amerikanischen Methoden zur Entschlüsselung profitieren und sich mit Gegenmaßnahmen davor schützen – all dies und viel mehr des von Snowden angerichteten Ungemachs wird nie ans Licht der Öffentlichkeit kommen.

Besonders widerlich ist die klammheimliche Freude der notorischen Amerika-Hasser, die zugleich ein gutes Leben genießen, das ihnen ohne den Einsatz der USA für Europa in den letzten 70Jahren nie vergönnt wäre: Edward Snowden ist für sie der Heiland schlechthin, denn er untermauert ihre Haltung.

Wie abwegig diese Haltung allerdings ist, beweist allein die Tatsache, dass sie nie und nimmer von Russland oder von China als Ordnungsmacht fordern könnten, die Yeziden vor ihrer Vernichtung zu retten oder den Islamischen Staat zu vernichten. Auch Europa ist als Ordnungsmacht nicht wahrnehmbar. Tatsächlich kann man auch in Zukunft allein von den Vereinigten Staaten erhoffen, dass diese sich weiterhin ihrer Mission erinnern, eine aufgeklärte Welt zu befördern.

Eine letzte Bemerkung: Nicht nur der amerikanische, alle Geheimdienste spionieren, so gut sie können. Allerdings kommt ein in Diensten rigider Staaten Tätiger, den sein „Gewissen“ die von ihm geforderte Loyalität vergessen lässt, lebend nicht einmal zum Ausgang des Büros – und der Alternative Nobelpreis müsste ihm posthum verliehen werden.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Rudolf Taschner ist Professor an der Technischen Universität Wien und hält dort die Vorlesung „Mathematik für Studierende der Elektro- und Informationstechnik“.

In diesem Jahr ist dazu sein dreibändiges Buch „Anwendungsorientierte Mathematik“ bei Hanser erschienen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2014)

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