Haus der Geschichte: Warum nicht mit Prinz Eugen beginnen?

Die Idee der Aufklärung ist der Ausgangspunkt des Hauses der Geschichte. Denn Geschichte ist Produkt der Aufklärung und Aufklärung ist Thema der Geschichte.

Es ist mutig, wenn nicht sogar gewagt, ein Haus der Geschichte einzurichten. Viel riskanter, als zum Beispiel math.space zu betreiben. Denn Mathematik ist – abgesehen von brisanten, aber weitgehend verdrängten Grundlagenfragen, die in die Philosophie reichen – für alle die gleiche, und sie ist der politischen Korrektheit unzugänglich. Denn es gibt keine politisch unkorrekte Mathematik.

Bei der Geschichte ist dies ganz anders: Sie ist Deutungen aller Art ausgeliefert und zugleich verwundbar. Sie kann von Ideologien vereinnahmt und vom vorherrschenden gesellschaftspolitischen Trend verengt werden. Ein Haus der Geschichte zu errichten, in dem sich ein Liberaler genauso behaust fühlt wie ein strammer Etatist, stellt eine veritable Herausforderung dar.

Schon knapp nach 1945 liebäugelte Karl Renner mit der Idee. Aber eigentlich prägte vor 20 Jahren Leon Zelman das Wort vom Haus der Geschichte: Es sollte in Hinblick auf die Geschichte und Kultur der Juden in Österreich „eine Einrichtung der Begegnung und der Forschung sein“ und hätte optimal in das Palais Epstein am Ring gepasst. Verblendete bürokratische Renitenz verhinderte alles.

Nun aber ist in Räumen der geschichtsträchtigen Hofburg der größere Entwurf geplant. Wenn man dieses Ambiente wählt, wäre es jedoch zu kurz gegriffen, allein – wie zum Beispiel im Haus der Geschichte in Bonn – die Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg in den Blick zu nehmen. Man muss viel weiter ausholen. „Das Jahr 1848 mit seiner gescheiterten bürgerlich-demokratischen Revolution ist dabei ein optimaler Ausgangspunkt“, ist vom Leiter des wissenschaftlichen Beirats, Oliver Rathkolb, zu hören.

Aber vielleicht sollte man sogar noch ein wenig tiefer graben. Geschichte, so hat sie in der letzten Sonntagausgabe der „Presse“ Dan Diner definiert, „ist ein Produkt der Aufklärung und unterscheidet sich [darin] von anderen Formen der Beschreibung vergangener Wirklichkeit“. So gesehen wäre der „optimale Ausgangspunkt“ für die Geschichte dieses Landes dort, wo die Aufklärung ihre ersten Spuren hinterließ.

Festmachen ließe sich dieser Ansatzpunkt bei Prinz Eugen. Der fähigste Feldherr seiner Zeit diente drei Kaisern, verwandelte das Habsburgerreich in eine Großmacht und stand zugleich als ein der Aufklärung verpflichteter Denker mit den namhaftesten Intellektuellen seiner Zeit – Leibniz, Voltaire, Montesquieu und vielen anderen – in regem Kontakt.

Festmachen ließe sich dieser Ansatzpunkt weiters bei den Aufklärern im Umfeld Maria Theresias wie Ignaz von Born, Joseph von Sonnenfels, Gerard van Swieten, ja sogar an deren eigenem Mann Franz Stephan. Der widmete sich nicht nur den Naturwissenschaften, sondern legte auch nach modernsten Grundsätzen bewirtschaftete Musterbetriebe an und konsolidierte mit seiner Einsicht in wirtschaftliche Zusammenhänge sogar die Staatsfinanzen. Oder festmachen ließe es sich an ihren Söhnen Joseph und Leopold, denen es, aller konzedierten Nachteile des josephinischen Paternalismus zum Trotz, gelungen war, dieses Land vor dem Chaos zu bewahren, das Frankreich nach 1789 erdulden musste.

Wobei gerade auch die Kunst das Ihre dazu beitrug: Mozarts „Zauberflöte“ zum Beispiel war nicht bloß Zauberposse, sondern diese Oper vermittelte dem Publikum volksnah Gedanken der Aufklärung.

So gesehen ist Geschichte nicht bloß Produkt der Aufklärung, sondern die Aufklärung ist zentrales Thema der Geschichte; insbesondere der Geschichte Österreichs, wo so viel für die Aufklärung geschah und wo so viel gegen sie gewettert wurde.

Selbst wenn im Haus der Geschichte die Zeitgeschichte im Mittelpunkt stehen soll, bleibt das Schicksal der Aufklärung das eigentliche Anliegen: Wie sehr sie durch zeitgeistige Strömungen – das betrifft uns hier und heute besonders! – in Bedrängnis gerät, oder inwieweit sie künftig Grundfeste des Landes bleibt.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2015)

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