Eine Universität ist eine Ausbildungsinstitution. Punktum!

Den Spagat zwischen Tradition und moderner Forschung zu meistern gelingt nicht, wenn man sich als Rückzugsort von einer als banal verunglimpften Welt sieht.

Universitäten sind Speerspitzen, spröde Diener der Gesellschaft. Sie kritisieren, widersprechen, mischen sich ein; sie fordern, aus der Gewissheit ihrer Rolle als Mitte, Klammer und Stütze der Gesellschaft“, schrieb vergangenen Dienstag Kurt Kotrschal in seiner „Presse“-Kolumne aus Anlass des 650-jährigen Bestehens der Universität Wien. Die Universität als „Mitte, Klammer, Stütze der Gesellschaft“ klingt reichlich pathetisch, wenn nicht sogar überzogen, und ob „kritisieren, widersprechen sich einmischen“ zu ihrem Kerngeschäft gehört, darf man berechtigt infrage stellen. Der eigentliche Auftrag der Universität ist es nämlich nicht.

Vor 650 Jahren lautete der Auftrag schlicht: Ausbildung von Studenten zu Theologen (genau genommen war dies in ihren ersten Jahren der Universität Wien noch nicht gestattet), zu Juristen und zu Medizinern. Wobei diese Ausbildung in dem Sinn „solide“ sein soll, als sie von den jeweils Besten ihres Faches nach den neuesten Erkenntnissen, zu denen diese akademischen Lehrer selbst beitragen, vollzogen wird.

Im Grunde gilt dies, abgesehen von Änderungen und Erweiterungen im Fächerkanon, heute noch genauso wie damals. Eine Universität ist eine Ausbildungsinstitution. Punktum. Der neben dem Ausbildungsauftrag vielfach eingeforderte Bildungsauftrag der Universitäten – hier mögen die von Kotrschal aufgelisteten Epitheta ihren Platz finden – ließ sich vor 650 Jahren genauso wenig per Gesetz verordnen, wie es auch heute bestenfalls eine floskelhafte Absichtserklärung bleibt.

Bildung kann gar nicht hoch genug geschätzt werden. Aber sie ist mit den Persönlichkeiten der Vortragenden und Lehrenden wie der Studierenden so sehr verhaftet, dass sie sich eines formalen Postulats entzieht.

„Nobelpreisträger, über 90.000 Studierende zwischen Tradition und modernster Forschung“, damit zieht Kotrschal die ersten Pinselstriche seines Bildes der Universität. Wobei man die Nobelpreisträgergalerie der Universität Wien nur in Schwarz-Weiß-Aufnahmen sieht. So lange ist es her, dass diese Ehre einem der ihren verliehen wurde – was im Falle des Letzten dieser illustren Riege, Konrad Lorenz, im Übrigen einen schalen Nachgeschmack hinterlässt. Außerdem sind die weithin sichtbaren äußeren Zeichen für das Wirken einer prägenden Forscher- und Lehrerpersönlichkeit zweitrangiger Natur.

Bei einigen an der Universität Wien Wirkenden ermessen vielleicht nur wenige deren überragende Bedeutung. Diese aber wissen es wirklich und überblicken, wie viel jene damit nicht nur für die Universität, sondern auch für das Land bewirken. Gefährlich wäre es für die Universität, wenn der Spalt „zwischen Tradition und modernster Forschung“ für die Mehrzahl der Studentinnen und Studenten so breit wäre, dass sie weder mit der Tradition noch etwas anzufangen wüssten noch an jene Forschung herangeführt würden, die tatsächlich zukunftsweisend ist und nicht in der Sackgasse zu einem wissenschaftlichen Wolkenkuckucksheim – davon gibt es leider mehr, als man haben möchte – versandet.

Vielleicht sollte man an dieser Stelle darauf hinweisen, dass an technischen Universitäten für ein Wolkenkuckucksheim, einen Elfenbeinturm, den Kotrschal „als Rückzugs-, Denk-, Forschungs- und Kommunikationsort, als Distanzhalter zu einer allzu banalen, utilitaristischen Welt“ verbrämt, kein Platz ist. Trotzdem sind sie genauso Universitäten wie die ehrwürdige 650 Jahre alte Universität Wien, weil sie mit dem gleichen oben beschriebenen Anspruch für eine „solide“ Ausbildung sorgen.

Kennzeichnend dafür ist, dass eine Geisteswissenschaft mit uralter Tradition den Kern jeder Ausbildung an technischen Universitäten bildet: die Mathematik. Diese ist keine zur „allzu banalen, utilitaristischen Welt“ distanzierte Wissenschaft, sondern eine Wissenschaft, welche die sinnvolle Gestaltung der Welt erlaubt.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2015)

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