Politisches Handeln lässt sich nicht am barmherzigen Samariter messen

„Wer ist mein Nächster?“, fragt der das Seelenheil Suchende. „Wo lauern die Räuber und wie kann ich ihnen das Handwerk legen?“, hat der Politiker zu fragen.

Damit musste Andreas Khol rechnen: Ein christliches Gebot nach seinem Gutdünken auslegen zu wollen ruft den Unmut derer hervor, die beanspruchen, Jesu Lehren als Einzige richtig deuten zu können. Was den Autor dieser Zeilen zum Querschreiben reizt: Denn der rein soziale Aspekt, wonach Nächstenliebe praktiziere, „wer nicht wegschaut, wenn andere Hilfe brauchen – egal, wie nahe oder fern sie mir stehen“, wird dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter ganz und gar nicht gerecht.

Dieses Gleichnis erzählt jemand, der sich nicht um das weltliche Wohl kümmert, sondern der einzig vom Wissen um die unmittelbar hereinbrechende Gottesherrschaft bewegt wird. Ein irdisches Gemeinwesen überforderte seine Mitglieder heillos, verlangte es von ihnen, in totaler Selbstentäußerung wie der barmherzige Samariter zu handeln.

Als Imperativ für eine bessere Welt ist das Wort „Dann geh und handle genauso!“ untauglich. Wobei das Gleichnis aus dem Mund des Heilands noch paradoxer geklungen haben mag und bis zur Aufzeichnung des Lukas verwässert wurde. So bleibt zum Beispiel die Rolle des Wirts bei Lukas eigenartig diffus – ganz im Gegensatz zu den sonst in jedem Detail scharf konturierten Bildern Jesu.

Dass Jesus heilte und half, diente in seinen Augen nicht der Verbesserung der Welt, sondern bloß als Zeichen des kommenden Himmelreichs. Wie wenig ihn soziale Probleme kümmern, erkennt man aus seiner harschen Erwiderung, als er von einer Frau mit teurem Öl gesalbt wurde und die Jünger ein wenig scheinheilig tuschelten, man hätte das viele Geld für das Öl den Armen geben können. „Ihr habt allezeit Arme bei euch“, knallt ihnen Jesus entgegen, „mich aber habt ihr nicht allezeit.“

Somit hat es aus politischer Sicht keinen Sinn, den barmherzigen Samariter als Vorbild hinzustellen. Ein Politiker mag als Mensch mehr oder weniger fromm und gottgefällig sein, das interessiert außer die ihm Nahestehenden niemanden. In seiner weltlichen Funktion hat er für das Diesseits zu sorgen – dafür, dass das Gemeinwesen heute, morgen und übermorgen funktioniert. Im Bild des Gleichnisses: Er hat den Räubern, die Wanderer von Jerusalem nach Jericho halbtot schlagen, das Handwerk zu legen. Mit dem Auftauchen von barmherzigen Samaritern darf er nicht rechnen.

Den kirchlichen Kritikern von Andreas Khol droht in zweifacher Weise, sich zu täuschen: Zum einen überfordern sie die politisch Verantwortlichen mit dem überirdischen Ideal der buchstäblich grenzenlosen Nächstenliebe, das in einem von Interessen getriebenen und von Gesetzen gesteuerten öffentlichen Gemeinwesen nichts zu suchen hat. Zum andern aber übersehen sie die Gefahr, dass – um im Bild zu bleiben – nicht nur die von Räubern in fremden Ländern Geschundenen zu uns flüchten, sondern auch Räuber selbst ins Land eindringen. Es sind diejenigen – selbst wenn es sich nur um ein paar Prozent der nach Europa Strömenden handelt, sind es viel zu viele – in jahrhundertelanger Tradition Indoktrinierten, die nie vom politischen Islam ablassen werden.

Sogar Moslems, so hat am Dienstag die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtet, die in einem liberalen Umfeld leben wollen und sich ihre Religion in ihrer Seele bewahren, weil sie keinen in der Öffentlichkeit etwas angeht – sogar diese aufgeklärten Moslems fürchten die Radikalen. Denn diese sind Räuber. Sobald sie in hoher Zahl anwesend sind und sich stark genug fühlen, rauben sie unsere Freiheit und unsere Sicherheit, rauben sie unsere Kultur und unsere Zukunft. Sie haben es zuerst auf die Juden abgesehen, dann auf die Christen und alle übrigen, die sie als Heiden verachten.

Blauäugig ist, wer unter diese Räuber fallend auf einen barmherzigen Samariter hofft. Verantwortungsvoll hingegen handelt jeder Politiker, der Räubern bereits dann ihre Pläne vereitelt, wenn sie noch in den Büschen auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho lauern.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor:

Rudolf Taschner
ist Mathematiker

an der TU Wien und betreibt mit seiner Frau und Kollegen
der TU Wien das Projekt math.space im Wiener
Museumsquartier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2016)

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